Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Jesus oder Jesos
#2
(14-03-2017, 21:38)Sinai schrieb: Warum hieß unser Herr Jesus und nicht Jesos ?

Das lateinische us ist seltsam.

´Jesus´ ist die lateinische Schreibung von Ἰησοῦς (Iesous), dem gräzisierten hebräischen יֵשׁוּעַ (Jeschua), im Deutschen zumeist ´Joshua´ wiedergegeben.

Die Namensidentität des Jesus und des legendären Moses-Nachfolgers und Führers der Israeliten nach Kanaan, Joshua, ist kaum zufällig. Beide Namen lauten im Griechischen ´Iesous´ und wurden in der Septuaginta (griechische Übersetzung der hebräischen Bibel) beide so geschrieben. In modernen Bibelübersetzungen wird die Schreibweise der Namen unterschieden (Joshua vs. Jesus), um die ´Einmaligkeit´ des Jesus nicht zu beeinträchtigen.
 
These:
 
Die urchristliche Bewegung (welcher Art auch immer) legte ihrem Heros den Namen ´Iesous´ bei, um ihn als Vervollkommner der mosaischen Mission zu kennzeichnen.
 
Man kann nun einwenden, dass ´Joshua´ ein häufiger jüdischer Vorname war und die Namensgleichheit bei Jesus und Joshua nur zufällig ist. Der Einwand setzt allerdings die Historizität des Jesus voraus, die an einem Faden hängt, den ´seiden´ zu nennen noch wohlwollend ist. Für eine künstliche Namensgebung spricht, dass die Evangelisten, besonders Matthäus (über 60 AT-Verweise), bemüht waren, das Schicksal ihres Helden sowie wichtige Begleitumstände als ´Erfüllungen´ von Weissagungen im AT darzustellen, um Jesus für die Juden als Messias glaubhaft zu machen. Entsprechend kann man vermuten, dass auch der Name mit der Absicht ausgewählt wurde, die Mission des Helden zu veranschaulichen - wofür es keinen geeigneteren gab als ´Joshua´.
 
Zu Joshua:
 
Nach biblischer Chronologie hat Joshua im 13. Jh. BCE gelebt. Laut dem Buch Exodus gehörte er zum engsten militärischen Stab des Moses und begleitete ihn zum Berg Sinai. Später war er einer der 12 Spione, die Moses aussandte, um die Lage in Kanaan zu erkunden (Numeri 13). Im Buch Joshua 1,1-9 wird er von Jahwe als Nachfolger des Moses bestimmt und mit der Unbesiegbarkeit auf Lebenszeit gesegnet. Seine Historizität wird - wie die des Moses - in Historikerkreisen bezweifelt, da es keine archäologischen Hinweise auf kriegerische Landnahmen im Kanaan jener Zeit gibt.
 
Wie Justin haben viele christliche Autoren den Namen des Joshua als prophetische Vorwegnahme des Namens des Jesus gedeutet. Faktisch ist es eher umgekehrt: Der Name wurde ´Jesus´ gegeben, um diese Figur an die hebräische Tradition anzuschließen und den ihr zugeschriebenen messianischen Anspruch für Juden glaubwürdiger zu machen.
 
Beispiele (kleine Auswahl):

Zitat:Johannesevangelium 5,46:
 
(Jesus spricht)
 
Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr mir glauben, denn er hat von mir (=Joshua) geschrieben.
 
Barnabas-Brief 12,8:
 
Was sagt wiederum Mose zu Iesous, dem Sohne des Nave, da er ihm diesen Namen beilegte, als einem Propheten, nur damit das ganze Volk höre, dass der Vater alles offenbare über Iesous, seinen Sohn?
 
Justin im ´Dialog´, § 75:
 
Wer hat nun eure Väter in das Land geführt? Sehet es doch endlich einmal ein, dass es der war, welcher diesen Beinamen Iesous erhalten hatte und zuerst Auses genannt worden war! Wenn ihr nämlich dieses einsehen werdet, dann werdet ihr auch erkennen, dass derjenige, der zu Moses gesprochen hatte: ‚mein Name ist in ihm’, Iesous selbst war.
 
Tertullian, ´Gegen Markion´, 3,16:
 
Als Auses, der Sohn des Nave, zum Nachfolger des Mose bestimmt war, wurde sein früherer Name beseitigt und er fängt an Jesus zu heißen; und wir behaupten vorab, dass das ein Vorbild des Zukünftigen gewesen sei.

Zum obigen Zitat aus dem JohEv:

Der johanneische Jesus behauptet hier seine Identität mit dem Joshua des AT, d.h. Moses hat damals bereits mit Jesus als dem göttlichen Logos kommuniziert. Diese Argumentation ist ein klassischer Fall von Hysteron-Proteron: Das zu Beweisende ist in den Voraussetzungen enthalten. Nur wer im Joshua des AT dem Christus-Logos erkennt, kann den gegenwärtigen Jesus mit Joshua gleichsetzen. Natürlich entspringt der Dialog der Phantasie des Autors des Johannesevangeliums.

Abgesehen davon ist es ohnehin undenkbar, dass ein jüdischer Wanderprediger sich öffentlich mit dem Joshua des AT gleichgesetzt hätte, wie es auch nicht denkbar ist (um ein Beispiel aus dem Mt zu nehmen), dass sich ein Wanderprediger wie auf der Bühne eines antiken Götter-Dramas öffentlich so geäußert hätte:

Mt 10,32f.

32 Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich bekennen am Gerichtstag vor meinem Vater im Himmel.
33 Wer mich aber vor den Menschen nicht kennen will, den werde auch ich am Gerichtstag vor meinem Vater im Himmel nicht kennen.

Das ist antike Mysteriendichtung ohne historischen Wert.


Nachrichten in diesem Thema
Jesus oder Jesos - von Sinai - 14-03-2017, 21:38
RE: Jesus oder Jesos - von Tarkesch - 31-03-2017, 15:22
RE: Jesus oder Jesos - von TheLight - 31-03-2017, 16:42
RE: Jesus oder Jesos - von Tarkesch - 31-03-2017, 17:23
RE: Jesus oder Jesos - von Sinai - 17-06-2017, 08:20
RE: Jesus oder Jesos - von Bion - 17-06-2017, 09:04
RE: Jesus oder Jesos - von Ulan - 17-06-2017, 09:14
RE: Jesus oder Jesos - von Mellnau - 07-12-2017, 11:24
RE: Jesus oder Jesos - von Ulan - 07-12-2017, 13:56
RE: Jesus oder Jesos - von Ulan - 08-12-2017, 02:08

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Hat Jephte seine Tochter bei lebendigem Leib verbrannt oder davor geschächtet ? Sinai 14 4191 19-02-2023, 12:43
Letzter Beitrag: Bion
  Aton - Jesus - Gott und seine Mittler Klaro 18 22958 24-10-2022, 17:52
Letzter Beitrag: Bion
  Frommer Schwindel oder raffinierte Fälschung? Davut 20 9436 15-09-2020, 09:57
Letzter Beitrag: Davut

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste