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Weihnachten
#1
Schon in vorchristlicher Zeit waren die Nächte um die ↗Wintersonnenwende mit der Symbolik des Absterbens und Wiedergeborenwerdens verbunden. Die Nächte der Wende von der Dunkelheit zum Licht waren offenbar geeignet, das Unbehagen, das mit der Erwartung des Todes einhergeht, rituell zu bewältigen. Das Vergehen und Wiedererblühen der Natur wurde auf Götterwesen übertragen und deren Versterben und Wiederentstehen gebührend gefeiert. Bei den Griechen war das ↗Dionysos gewesen, bei den Römern ↗Sol Invictus. Alle Jahre wurden sie wiedergeboren, am 25.12. oder am 6.1. Die langen Nächte, in denen das Ereignis stattfand, waren "heilige Nächte" gewesen.

Die ↗Griechen feierten in Erwartung der Wiedergeburt des Dionysos zum Jahreswechsel die ↗Ländlichen Dionysien.

Die ↗Römer feierten vom 17. bis 24. Dezember die ↗Saturnalien. Es waren heilige, aber keine stillen Nächte. Mit Weihnachten, wie wir es heute kennen, hatte das Fest gemein, dass Kinder beschenkt bzw. Geschenke ausgetauscht wurden und man sich grüne Zweige ins Haus holte, diese schmückte und daran Lichter (↗Kerzen, Öllämpchen) befestigte oder sie rings um das Grün aufstellte.

↗Geburtstage zu feiern, kam Christen lange nicht in den Sinn. Kannte die Schrift doch nur Geburtstagsfeiern für gottlose Menschen (Gen 40,20; 2Makk 6,7). Und in ↗Evangelientexten war es eine Geburtstagsfeier für ↗Herodes Antipas gewesen, die ↗Johannes (d. Täufer) den Tod brachte. Also war man lange nicht bereit auch nur daran zu denken, anlässlich des Geburtstags des Herrn ein Fest auszurichten.

Wissen wollte man aber schon, welcher Tag es denn gewesen sein könnte, an dem ↗Christus in die Welt gekommen war. Also wurden allerlei Überlegungen angestellt, welcher Tag dafür infrage kommen könnte. Vorgegeben war, dass sich das Ereignis aus der ↗Bibel erklären bzw. mit den heiligen Texten vereinbaren lassen können müsse.  Der 6.1., 10.1., aber auch andere Tage, beispielsweise der 28.3. oder den 19.4., waren ins Auge gefasst, das Ereignis daran festzumachen1

Schließlich hat man den Geburtstag Christi mit 25.12. angenommen. Nicht zuletzt deshalb, weil an diesem Tag das Geburtsfest für Sol invictus begangen wurde. Dass man damit das heidnische Fest überlagern wollte, ist die schlüssigste und unter Fachhistorikern verbreitetste Hypothese, auch wenn manche Theologen Argumente gegen diese Annahme suchen und fallweise auch behaupten, solche gefunden zu haben.

Der älteste Beleg, in dem der 25.12. als Tag des Geburtsfests Christi aufscheint, ist das ↗Kalenderhandbuch des Filokalus von 3542.

Zum Familienfest und Fest des einander Beschenkens ist Weihnachten erst in jüngerer Zeit geworden. Als ↗Kirchenfest hat man es schon in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts begangen. Zunächst im lateinischen Westen, gegen Ende des 4. Jahrhunderts auch im griechischen Osten. ↗Gregor von Nazianz und ↗Gregor von Nyssa legen in Predigten davon Zeugnis ab. In den ältesten ↗Kirchenkalendern war Christi Geburt als Gedenktag vermerkt. Von ↗Papst Leo I. wird dieser Gedenktag erstmals als ↗Herrenfest bezeichnet. Ab dem 6. Jahrhundert werden in Rom Weihnachtsmessen gefeiert. Ab dem 7. Jahrhundert scheint das Weihnachtsfest in den Kirchenjahr-Kalendern als Herrenfest auf. Ab dem 9. Jahrhundert ist das Fest auch im fränkischen Raum fest verankert. Für diese Zeit wird auch schon von Mitternachtsmessen berichtet.

Die älteste Erwähnungen des Fests für den deutschsprachigen Raum (mhd. ze den wihen nahten = in den heiligen Nächten) finden sich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, zB in einem Gedicht des Spielmanns und Minnesängers ↗Spervogel (Lachmann, Haupt 28)3

Aus Weihnachtsgottesdiensten gingen Weihnachtsspiele (↗Krippenspiele) hervor, die bald zum festen Bestand des Programms für die Weihnachtsfeiertage gehörten und sich bis zum ↗Dreikönigtag (↗Dreikönigsspiele) erstreckten4.

Ab dem ↗Hochmittelalter waren von Advent bis zum 2. Februar (Tag der ↗Darstellung des Herrn) Weihnachtskrippen (figurenreiche Darstellungen der Weihnachtsgeschichte) meist im Altarbereich der Kirchen eingerichtet (Beitl 477ff.; LCI 2, 658). Anfangs des 17. Jahrhunderts (in einem Text von 1605 über eine Reise ins Elsass) ist erstmals von einem mit Äpfeln und Papierrosen geschmückten Tannenbaum (↗Christbaum) die Rede (Beitl 953).

Ein Tag der Bescherung war der Weihnachtstag früher nicht gewesen. Die Geschenke brachte der ↗heilige Nikolaus. Erst mit den ↗Protestanten, die ↗Heiligenkulten reserviert gegenüberstanden, kam das ↗Christkind als Gabenbringer ins Spiel. Auch die Tanne oder Fichte als Weihnachtsbaum zog zunächst bei protestantischen Familien ein. Ins katholische Österreich kam der Weihnachtsbaum durch die protestantische Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg, die den aus den Kriegen gegen Napoleon bekannten ↗Erzherzog Karl von Österreich ehelichte.

Zunächst stießen sich einige Mitglieder der kaiserlichen Familie am prächtig aufgeputzten Christbaum. Überwiegend wurde der neue Brauch aber gut aufgenommen. Auch bei wohlhabenden bürgerlichen Familien er fand bald begeisterte Nachahmer.

War Weihnachten früher ein Fest gewesen, das öffentlich gefeiert wurde, in Kirchen und mit Umzügen auf den Straßen, zog man sich am Anfang des 19. Jahrhunderts mehr und mehr zurück und feierte in vertrauter Gesellschaft mit der Familie und unter Freunden. Die Perfektion, die das politische Überwachungssystem ↗Metternichs erreicht hatte, förderte ein solches Verhalten. Nicht nur in Österreich, sondern in allen Ländern des ↗Deutschen Bundes wurden potentielle Gefährder der ↗Restauration aufmerksam beobachtet. Insbesondere bei öffentlichen Veranstaltungen, also begann man diese zu meiden. Auch Weihnachten wurde weniger öffentlich und mehr privat gefeiert. Damit ging einiges vom religiösen Charakter des Fests verloren.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich das Weihnachtsfest samt Christbaum als Familienfest durchgesetzt. Vom Besuch der Christmette abgesehen, wurde das Fest öffentlich kaum mehr begangen.

Weihnachten ist vom Fest der Gläubigen zum Fest der Wirtschaft geworden. Die Wochen vor Weihnachten eingeschlossen. War die ↗Adventzeit früher "stille Zeit", Zeit des Fastens, sind Advent- und Weihnachtsmärkte heute Orte, wo getrunken, gespeist und allerlei unnützes Zeug unter die Leute gebracht wird. Rund 20% des Jahresumsatzes des Einzelhandels wird in der Weihnachtszeit gemacht.


1) vgl. M. Mayordomo. Onlinemagazin UNI Bern (https://www.uniaktuell.unibe.ch/2013/chr...x_ger.html), Zugriff vom 18.12.2023, 11:08 Uhr.

2) Der Geburtstag Christi (25.12. = viii kal Ian) ist am Anfang einer Märtyrerliste vermerkt und möglicherweise später eingefügt worden. Als Geburtstag eines ↗Märtyrers wurde jener Tag angenommen, an dem dieser den Märtyrertod erlitten hatte und sein Leben in Seligkeit und Gottesnähe den Anfang nahm.  Es fällt auf, dass einer Liste von Todestagen der Geburtstag Christi vorangestellt ist.

3) vgl. "WEIHNACHT, f.m.f.n.", Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/23, , Zugriff vom 18.12.2023, 20:10 Uhr.

4) Etwa zur gleichen Zeit dürften auch ↗Passionsspiele aufgekommen sein. Textfragmente aus dem 13. Jahrhundert, die auf uns gekommen sind, legen das nahe.


Literatur:
Karl Lachmann, Moriz Haupt. Des Minnesangs Frühling. 1857 Leipzig. Verlag S. Hirzel.
Richard Beitl. Wörterbuch der deutschen Volkskunde. 31974 Stuttgart. Alfred Kröner Verlag.


● Zum Inhaltsverzeichnis des Lexikons
MfG B.
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