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Homoöpathie, quasireligiöser Betrug oder akzeptables Placebovehikel?
#50
(22-07-2010, 12:19)Rao schrieb: Das Singen sei Dir erlassen... :icon_cheesygrin:

So ist es mir tatsächlich vorgekommen.

Was ist schlimmer, ein "unwirksames" Mittel das als Placebo hilft (und angeblich nicht schädigt, obwohl ich das anders gehört habe) oder ein "wirksames" Mittel mit eindeutig schädlichen Nebenwirkungen? Erinnere Dich an den Skandal mit dem Cholesterin-Senker vor ein paar Jahren. Die Zahlen: 3 Millionen regelmäßige Anwender, davon sind ca. 100 (angeblich) an dem Mittel gestorben, was nicht mal nachweisbar war, da alle schon an schweren Vorbelastungen litten. Das Mittel mußte vom Markt genommen werden. Zum Vergleich: bei einem seit Jahrzehnten bekannten Mittel liegt laut Schätzungen die Rate der Geschädigten (Unverträglichkeit, Magenblutungen und Schlimmeres) bei etwa 20 %. Wird das Zeug vom Markt genommen? Nein! Wie heißt es? Acetylsalicylsäure, vulgo: Aspirin.
Wenn Du dich so über "reine Placebos" (angeblich wirksam, angeblich nicht schädigend) aufregen kannst, was sagst Du dann zu Aspirin * mit seiner hohen Schädigungsrate? Das müßte doch dann automatisch in Deine Liste der nicht mehr von Krankenkassen zu finanzierenden Mittel fallen, oder?

* um nur ein einziges Mittel beim Namen zu nennen. Wer lustig und informiert ist, kann ja mal andere Mittel zur Diskussion stellen, mit Wirksamkeit, Schädlichkeit und ob es nach Hikikomoris Auffassung dann wohl noch finanzierungsfähig wäre...

Der letzte Teil des Satzes war schon wieder arg hetzerisch. Wenn ein Schulmediziner sich auch mit H. beschäftigt oder ein Geologe mit der Wünschelrute, sehe ich nichts Unrechtes darin. Es ist einfach eine Ergänzung, die dem einen vielleicht einen zusätzlichen Nutzen bringt. Der andere, der keinen Nutzen darin finden kann, wird nach kurzer Zeit des Ausprobierens wieder die Finger davon lassen.
Was anderes wäre es, wenn der (nur-)Homöopath sich als Mediziner ausgibt, oder der Wünschelrutengänger als Geologe, das wär dann echter Betrug.

Wenn aber, wie in einigen Beiträgen gemeint wurde, H. nur ein Placebo-Effekt ist, der nur wirken kann, weil der Behandelnde sich hier mehr und intensiver um den Patienten kümmert als irgendein Schulmediziner: sollten sich die dann nicht davon eine Scheibe abschneiden?

Und das Beispiel vom Geologen mit der Wünschelrute geht auch nach hinten los. Aktuelles Beispiel aus dem reichhaltigen Fundus meiner Stammtischkameraden: Besitzer eines Ferienhauses in einem südlichen (sprich trockenen) Land wollte einen eigenen Brunnen auf seinem Grundstück. Der Geologe konnte ihm sagen, daß in soundso viel Metern Tiefe eine wasserführende Schicht zu finden sei. Fünfmal wurde gebohrt nach den Angaben des Geologen, an verschiedenen Stellen des Grundstücks, war jedesmal ein Schuß in den Ofen, danach hat es der Hausbesitzer aufgegeben. Da er aber vom Stammtisch her für solche Sachen sensibel war, hat er sich nach einem guten "Muter" (Wünschelrutengänger) erkundigt. Der hat das Gelände einmal abgeschritten und hat gesagt "An der Stelle in .... Metern Tiefe, da bringt es was". Ergebnis: die Tiefe hat nicht ganz hingehauen, es waren so zwei Meter mehr, aber ein reich führender Brunnen mit gutem Wasser.
Fazit: Geologie und Wünschelrutengehen sind zwei ganz verschiedene Paar Stiefel!

Da mußt Du schon konkret werden und Namen nennen und Beweise liefern, sonst bringt es nix!


Ich bin vielleicht manchmal zu plastisch oder dramatisch mit meinen Analogien und Metaphern. Man darf sich mich, zumindest wenn man mich
möglichst präzise verstehen will, nicht im Stile vom Adolf geifernd, wetternd und wild gestikulierend vorstellen. :eusa_naughty::icon_cheesygrin:

Das, unzureichende, Beispiel Aspirin übergehe ich einfach und nehme Dein Argument trotzdem ernst, indem ich ihm zugestehe, auch ohne ein
zutreffendes Beispiel, solche hypothetischen Beispiele grundsätzlich zu seiner Untermauerung anzuführen imstande zu sein.
Du hast hierbei, mit Deiner rhetorischen Frage nach dem kleineren Übel, durchaus recht, das Placebo ist einem schwachen Medikament mit
Nebenwirkungen vorzuziehen. Ich bin nicht so fanatisch als würde ich Menschen lieber leiden sehen als daß auch nur ein Jota vom etablierten
wissenschaftlichen Kenntnisstand abgewichen werden dürfe.
Darum geht es mir aber auch gar nicht, ich verlange nicht die Abschaffung von Placebos, noch teile ich die landläufige Meinung psychosomatische
Effekte wie eben jener, wären etwas schlechtes, dem nur dumme Menschen aufsitzen könnten.

Worum es mir hauptsächlich geht ist der Widerstand, ja der Krrrrrrieg( :icon_cheesygrin:) der Homöopathie gegen die Aussage sie wäre rein
psychosomatisch wirkend, rein auf den Placeboeffekt beschränkt.

Es gibt nämlich jede Menge schädlicher Einflüße die von diesem Kampf ausgeht, eine schwer zu bestimmende Qualität und Quantität von Leid die
dadurch verursacht wird.
Es ist zwar wahr daß die Einnahme der Homöopathike selten schädlich ist, auch wenn in diesen Mitteln schon des öfteren pharmakologisch relevante
Mengen an schädlichen Stoffen wie Arsen, Blei, Quecksilber gefunden wurden.
Aber wir wollen, ganz konform mit der Volksmeinung, mal davon ausgehen daß die Homöopathika mit Sorgfalt hergestellt wurden und keine
Schwermetalle oder ähnliche Toxine enthalten, und wir werden dennoch feststellen daß die Homöopathie trotzdem negative Auswirkungen auf
Menschen hat.

Einerseits gibt es natürlich die besonders krassen Fälle von verantwortungslosen, sich selbst überschätzenden "Medizinern" die
versuchen ernsthafte und lebensbedrohliche Krankheiten mit nichts zu heilen, wie beispielsweise bei einem der Fälle die in die Schlagzeilen kamen
weil ein krebskrankes Kind starb nachdem die Eltern es, weil sie die verstaubte Schulmedizin ablehnten, zu einem Homöopathen brachten und
das Kind im weiteren Verlauf starb obwohl recht gute Heilungschancen bestanden hätten, wäre die etablierte Therapie sofort eingeleitet worden.

Aber das ist nur die Spitze des Eisberges, der sichtbare Teil der negativen Auswirkungen die Homöopathie entgegen der landläufigen
Stammtischmeinung sehr wohl hat.
So wird die evidenzbasierte, wissenschaftliche Hochschulmedizin und ihre
Arzneien verunglimpft im Kampf der sich selbst als Wortschöpfer betätigenden und sich so euphemistisch Alternativ- oder
Komplementärmedizin nennenden Parawissenschaft, mit weitreichenden Folgen, vielleicht sogar weitreichender, in jedem Fall aber subtiler als die
ähnlich geartete Propaganda der Pharmariesen die ihre Medikamente üblicherweise in Hochglanzboschüren als das beste seit der Erfindung von Sex preisen.
Diese Praxis hat erwiesenermaßen Folgen für die Perzeption von Menschen was die zu erwartende schädliche Nebenwirkungen angeht. So kann man
beobachten daß Menschen die besonders positiv gegenüber Homöopathie und anderen alternativmedizinischen Methoden eingestellt sind, ausgelöst
durch die durch kakophonische Wortschöpfung und aufrechnender Argumentation hervorgerufene Assoziationen verstärkte Nebenwirkungen
von diversen allopathischen, starken Medikamenten wie Chemotherapie oder Therapien wie Bestrahlung erfahren.
Der Grund hierfür liegt in ihrer Assoziation von "Schulmedizin" mit (schädlicher) Chemie und verstaubten, mittelalterlichen Drastika-
Behandlungen, eine Verknüpfung die aus der Sicht der Homöopathie wünschenswert ist.
Tatsächlich hat man festgestellt daß Menschen durch diesen, analog aber diametral zum Placebo Nocebo-Effekt genannten psychosomatischen Einfluß
auch bei der Gabe von Placebos die beim echten Medikament möglichen Nebenwirkungen verstärkt verspüren. So sind Fälle bekannt bei denen in
randomisierten Doppelblindstudien Patienten die ein Placebo bekamen die Haare ausfielen da dies eine mögliche, aus der Sicht der Probanten ja oft
sogar zwingende Nebenwirkung von Chemotherapien sei.

Weiterhin hat man eine Testreihe durchgeführt bei der über 3000 Probanten die Krebs hatten und an unerklärbaren Schmerzen litten in einer randomisiert-
kontrollierte Studie in 2 Gruppen aufgeteilt wurde. Die eine Gruppe wurde vom Arzt angelogen was seine Kenntnis der Ursache betrifft, ihnen wurde
also gesagt man hätte herausgefunden was ihnen fehlt, der anderen wurde wahrheitsgemäß gesagt man wüßte immer noch nicht was los sei.
Jede dieser beiden Gruppen war wiederum unterteilt in eine Gruppe die keine Medikamente bekam, und eine der ein Placebo verschrieben wurde.

Die Patienten die eine positive, optimistische Konsultation bekommen hatten verspürten zu 64% eine Verbesserung, die mit der negativen Konsultation zu
39%, unabhängig davon ob Placebos gegeben wurden oder nicht. Es steht also zu vermuten daß einerseits, entgegen der landläufigen Meinung von
Ärzten, nicht so viele Patienten von ihrem Arzt eine Medikation erwarten und andererseits daß der Placeboeffekt vielmehr der Interaktion mit dem
Arzt und der Wahrnehmung seiner Kompetenz und Empathie zuzuschreiben ist als dem Placebo selbst.
Insofern ist es vielleicht sogar verständlich wieso sich Homöopathen ausserhalb von klinischen Studien, bei denen für typische lange
Konsultationen und Anamnesen wohl oft nicht so viel Zeit bleibt beziehungsweise sicher nicht jede Studie diese Konsultationen in einer RCT
prüfen wird, bessere Resultate zu erzielen glauben.

Tatsächlich würde die Ausmerzung, die ich keinesfalls so fanatisch fordere wie das vielleicht transportiert wird, von Aberglauben, Homöopathie und
ähnlichem durch die Reduzierung des Noceboeffektes den Verlust durch den wegfallenden Placeboeffekt relativieren. Dazu gehören auch die Angst vor
Elektrosmog und ähnliche populäre Annahmen.
Ein Arbeitskollege erzählte mir vor einiger Zeit eine lustige Begebenheit
bezüglich dieses Effektes. Er arbeitete damals für eine Firma die Handymasten aufstellte und in Betrieb nahm. Er war gerade bei der Arbeit an
einem dieser Masten, als ein Bauer der ein angrenzendes Haus besaß zu ihm kam und sich lautstark beschwerte, er könne nicht mehr schlafen seit der
Mast aufgestellt wurde, hätte Migräne und er wollte wissen wie die Firma hieße die er verklagen müsse.

Die Antwort meines Kollegen: "Der Sender wird von mir gerade das allererste Mal eingeschalten, der war noch nie in Betrieb, er hatte nicht mal Strom." :icon_rolleyes:

Für Beweise und Namen siehe bitte exemplarisch den Link zur Kritik der Belladonnastudie die
von Dr. Nieber und Dr. Süß an der Uni Leipzig veröffentlicht wurden, den ich schon ein oder zwei Seiten früher gepostet hatte.

Eine weitere interessante wenn auch recht umfangreiche Kritik findest Du hier.
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RE: Homoöpathie, quasireligiöser Betrug oder akzeptables Placebovehikel? - von Hikikomori - 22-07-2010, 14:44

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