09-08-2013, 12:52
(09-08-2013, 09:04)indymaya schrieb: Tatsache ist, dass die Menschen, ohne Gott, nichts weiter wären als Parasiten die einen Planeten befallen haben.
Es ist für mich durchaus nachvollziehbar, dass menschliches Ohnmachtserleben gelegentlich eine Sehnsucht nach Rettung und Sinngebung durch "höhere Mächte" weckt.
Schon der Philosoph Arnold Gehlen hat den Menschen als ein "Mängelwesen" beschrieben. Allerdings kam Arnold Gehlen zu dem Schluss, dass diese Mängel Antriebe dazu gewesen sein dürften, dass der Mensch über einen mühsamen Weg über Versuch und Irrtum, trotz vieler Fehlschläge und Irrungen auf bewundernswerte Weise Grenzen überwunden hat (z.B. durch die Entwicklung von Humanität, Wissenschaft, Technik,...)
Es gibt durchaus Chancen, dass es der Menschheit- wenn auch nur über ein mühseliges Trial-and-Error-Verfahren - gelingt, sich von einer verträumten und ängstlichen Gottessehnsucht zu lösen und ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Ein bisschen mehr Selbstachtung trotz aller Mängel gehört allerdings schon dazu.
Wer aber die Menschen, die in all ihre Grenzen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, als Parasiten sieht, der ist ein Jammerlappen. Dem fehlt sowohl der Respekt vor dem Prometheus in diesem "Mängelwesen" Mensch als auch der Respekt vor einem eventuellen Schöpfergott und seinem Werk.
Anhang:
Prometheus
Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöh'n!
Musst mir meine Erde
Doch lassen steh'n,
Und meine Hütte,
Die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Glut
Du mich beneidest.
Ich kenne nichts Ärmeres
Unter der Sonn' als euch Götter!
Ihr nähret kümmerlich
Von Opfersteuern
Und Gebetshauch
Eure Majestät
Und darbtet, wären
Nicht Kinder und Bettler
Hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
Nicht wusste, wo aus, wo ein,
Kehrt' ich mein verirrtes Auge
Zur Sonne, als wenn drüber wär
Ein Ohr zu hören meine Klage,
Ein Herz wie meins,
Sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir
Wider der Titanen Übermut?
Wer rettete vom Tode mich,
Von Sklaverei?
Hast du's nicht alles selbst vollendet,
Heilig glühend Herz?
Und glühtest, jung und gut,
Betrogen, Rettungsdank
Dem Schlafenden dadroben?
Ich dich ehren? Wofür?
Hast du die Schmerzen gelindert
Je des Beladenen?
Hast du die Tränen gestillet
Je des Geängsteten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
Die allmächtige Zeit
Und das ewige Schicksal,
Meine Herren und deine?
Wähntest du etwa,
Ich sollte das Leben hassen,
In Wüsten fliehn,
Weil nicht alle Knabenmorgen-
Blütenträume reiften?
Hier sitz' ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei,
Zu leiden, weinen,
Genießen und zu freuen sich,
Und dein nicht zu achten,
Wie ich!
Johann Wolfgang v. Goethe