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Sinn der Philosophie
#61
Hallo Karla,
dass eine sprachliche Struktur das Verstehen erleichtert, sei eingeräumt. Mir ist jedoch von der Sache her nicht klar, warum es unmöglich sein soll, bestimmte Gedanken von einer Sprache in eine andere umzusetzen. Was spielen die Existenz eines "Objektes" oder eines "Ichs" für eine Rolle? Das bedeutet doch nur, dass die betreffende Sprache bestimmte Abstrakta bisher nicht kennt. Für die Texte und Sprachen, über die wir hier im Forum diskutieren, spielt dieser Mangel doch keine Rolle.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#62
Hallo Ekkard,

wir diskutieren doch hier die ganze Zeit über die Threadfrage, oder nicht?
Du hast die Frage von t.logemann als Threadfrage an den Beginn gestellt, und ich habe darauf reagiert und gesagt, dass Philosphieren für mich erst einmal der Kernpunkt ist, und dass dies eine Tätigkeit sei.
In vorläufiger Art charakterisierte ich dieses Philosphieren als "den Dingen auf den Grund gehen".

Die Frage nach dem Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis kam dann - im Verlauf des Threads - in den Fokus Begrifflichkeit und Sprache. Also in dem Sinne von: sind philosophisches Verstehen oder Erkennen der dann gewählten Begrifflichkeit adäquat?

Und von da kam es auf die unterschiedlichen Sprachen, die unterschiedliche Begrifflichkeiten und daher auch unterschiedliche Philosophien haben.

Ich selber wollte darauf hinaus, dass philosophische Probleme mitunter Scheinprobleme sind, weil sie ohne die entsprechende Sprache gar nicht existieren würden.
Es sind also keine echt philosophischen Probleme. Es sind durch die Sprache gemachte Probleme.

Darum kann jemand, der sehr begriffsfixiert ist, von der Sprache verführt werden, Theorien aufzustellen, die keinen Rückhalt in der Beobachtung der Wirklichkeit haben. Oder aber, sie werden durch die Sprache in eine Struktur gebracht, die die ursprünglich existentielle Frage verfälscht.


Im übrigen sehe ich das Fehlen des 'Objektes' in anderen Sprachen eben gerade nicht als Mangel. Ich selber empfinde sehr stark den Mangel in meiner eigenen Sprache, Subjekt und Objekt trennen zu müssen, weil es mich so lange dazu gebracht hat, auch in die Realität diese Trennung hineinzuprojizieren.

Darum ist das Philosophieren eben auch in dem Sinne notwendig, dass man diese zwanghafte Subjekt-Objekt-Trennung hinterfragen lernt. Es schafft, hinter den Zwang der Sprache zu gelangen und dadurch andere Zusammenhänge zu entdecken. Einige User in diesem Thread haben Ähnliches mehrfach angedeutet.

Und das Erlernen anderer Sprachen - möglichst nicht einer lingua franca - verhilft dazu, die Suggestion der eigenen Sprache zu durchschauen und die philosophischen Fragen auf eine andere Basis zu stellen als die der eigenen Sprachstruktur.

Wenn man dann aber tatsächlich diese strikte Trennung von Subjekt und Objekt nicht mehr in dem alten Ausmaße macht und die Dinge in einem anderen Zusammenhang sieht, dann hat man mit der eigenen Sprache Probleme, das noch auszudrücken.





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#63
(10-07-2011, 21:02)Theodora schrieb: Im Japanischen gab es bis vor nicht all zu langer Zeit keinen Begriff für "Ich". Erst über den Kontakt mit Europa lernten die Japaner den Begriff des Individuums kennen. Nicht in jeder Sprache gibt es annähernd gleich Begriffe, manche Ideen fehlen völlig, die einen Zustand, Abstraktes oder einen Gegenstand beschreiben.

@ Theodora und Karla zum gleichen Thema

Das bedeutet aber doch nicht, dass die Sprache das Denken geformt hat, sondern eher, dass das Denken die Sprache geformt hat.

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#64
Jedes Neugeborene findet die Sprache vor. Es lernt zu denken im Rahmen der vorgefundenen Strukturen. Es lernt - in der Pubertät, wenn die ersten philosophischen Fragen auftauchen - seine noch stummen Fragen in vorgeprägte Muster zu kleiden.

Es hat keine Möglichkeit, mit seinem Denken die Sprache zu formen.

Wenn die Vertreter weit enternter Sprachfamilien mit dem Erlernen westeuropäischer Sprachen lernen, westeuropäisches Denken nachzuvollziehen und dieses in sich zu installieren, dann wird die Mentalität ebenfalls über die Sprache gesteuert.

Das ist das, was wir beobachten können.



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#65
(11-07-2011, 01:29)Karla schrieb: Jedes Neugeborene findet die Sprache vor. Es lernt zu denken im Rahmen der vorgefundenen Strukturen. Es lernt - in der Pubertät, wenn die ersten philosophischen Fragen auftauchen - seine noch stummen Fragen in vorgeprägte Muster zu kleiden.

Es hat keine Möglichkeit, mit seinem Denken die Sprache zu formen.

Karla, das macht ein Mensch dann in seinem Berufsleben und in seinem Alter und darauf ändert sich auch die nächste Generation.

Ich bin in ein Umfeld hineingeboren, in dem Religion, Brauchtum, Landwirtschaft und das Streben nach Bildung und Technik die "Sprache" prägten. Es kam zur Entwicklung vieler Computerbegriffe und technischer Ausdrücke und zur Vernachlässigung der Familientradition wegen Berufsarbeit. Die Verschiebung der Rolle der Religion war, erstaunlich, im 2. Vatikanischen Konzil besprochen worden.

Falls einer im religiösen Umfeld oder durch Bibelkreise erfährt ...
Psalm 20:1 Ein Psalm Davids, vorzusingen. (20-2) Der HERR erhöre dich in der Not; der Name des Gottes Jakobs schütze dich!

... so ordnet er es dem zu, was "alle Welt" meint. Er selbst denkt wegen der Worte, es sei ein Psalm von David, der über Gott singt, halt alt, weil Jakob darin vorkommt.

Was macht man damit - man hält eine Minute des Schweigens - weil es in der Gemeinschaft so gemacht wird - respektiert die Höhe eines Allmächtigen, der einen in der Not hilft, sobald ausreichende Kommunionspenden konsumiert wurden. (Ich habe das nur übertragen, zum Bewusstwerden der Reaktionen)

Einer mit Hebräischkenntnissen braucht einen Rabbi, der ihm sagt, wo er für Gott -ha schem sagen muss, wenn etwas anderes steht. Das dürfte ich nach den Vorschriften nicht mal schreiben - weil der Gottesname könnte ja ausgedruckt und ich fürchte es wirklich, falsch gelesen werden. Er darf also nur in orthodoxer Sicht denken, wo er in Wirklichkeit als moderner Jude auch lesen könnte:

Ein Lied zum Geliebtsein: Du würdest heute gern formen wie es sein soll, möchtest, dass man auf dich hört - aber dem Besten sollte man folgen.


Da fangen dann die "echten" Überlegungen an....
Denn hier sind Leben, Sprache und eigenes Wissen im Einklang miteinander.


P.S. hat dann beim erneuten Hinsehen, nochmal einen anderen Blick, ob Du auf ihn reagierst wie es sein soll, er dich erhört, und was Du bringst, etc. ...
... hat also die Sprache / den Ausdruck/ durch Verwendung aller "Werkzeuge" der Philosophie gewonnen.
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#66
(11-07-2011, 01:29)Karla schrieb: Jedes Neugeborene findet die Sprache vor. Es lernt zu denken im Rahmen der vorgefundenen Strukturen. Es lernt - in der Pubertät, wenn die ersten philosophischen Fragen auftauchen - seine noch stummen Fragen in vorgeprägte Muster zu kleiden.

Es hat keine Möglichkeit, mit seinem Denken die Sprache zu formen.

Wenn die Vertreter weit enternter Sprachfamilien mit dem Erlernen westeuropäischer Sprachen lernen, westeuropäisches Denken nachzuvollziehen und dieses in sich zu installieren, dann wird die Mentalität ebenfalls über die Sprache gesteuert.

Das ist das, was wir beobachten können.

Ich meine, das wird durch die Menschen, die taub geboren geboren worden sind und nie oder erst spät die Gebärdensprache erlernt haben, falsifiziert.

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#67
Nein, wird es nicht. Auch Taubstumme leben in keinem Hohlraum, in dem sie nichts an sprachlicher Struktur erreicht. Sie lernen ja lesen.
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#68
Dann nimm den Extremfall eines Menschen der taub, blind und stumm ist - auch das gibt es. Und diese Menschen können auch kommunizieren - nur halt auf einem völlig anderen Niveau.
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#69
Habe ich das je angezweifelt? Wogegen argumentierst Du denn überhaupt, Thomas.

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#70
Tja Karla, ich gehe erfahrungsgemäss davon aus das wir zwar die gleiche Sprache sprechen (mögen), aber ein völlig unterschiedliches Verständnis von Sprache haben (werden). Am deutlichsten wird das bei den Diskussionen mit MaSofia - es "ist" immer noch Deutsch als Sprache in der wir uns austauschen - das war's dann aber schon mit der Gemeinsamkeit, weil das was unter "dem Wort" vorstell- und begründbar ist davon abhängt, welcher "Lehrintension" man folgt. Die gleiche Schwierigkeit tritt mit "schöner Regelmässigkeit" auf, wenn ich mich mit Petronius austausche - unsere "Lehrintension", unsere Erfahrungen und unsere Gedankenmuster sind einfach viel zu unterschiedlich um einen gemeinsamen verbindenen Nenner zu ermöglichen.

Nun sind die "Basisvoraussetzungen" eigentlich wenigstens insoweit gleich, als das man in einer Diskussion sagen könnte, man spricht miteinander.... Reicht das aus um eine tatsächliche Argumentation aufzubauen? Wenn ich serbo-kroatisch spreche und Du mandarinchinesisch - können wir auch "miteiander sprechen" - nur verstehen können wir uns nicht.....

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#71
Ich fragte aber danach, wieso ich das Gegenteil behauptet hätte.

Und das habe ich nicht. Ich widerspreche dem doch gar nicht. Ich habe grad nur ein anderes Thema abgehandelt.


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#72
Unsere Postings haben sich da überschnitten, denke ich. Mit ging es nicht darum Dir zu widersprechen; ich habe mich auf Theodora's Position bezogen und habe eine eher grundsätzliche Überlegung dazu angestellt, ob Sprache nun durch Denken oder umgekehrt Denken durch Sprache entsteht.
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