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Zölibat
#1
Das älteste von einer ↗Kirchenversammlung verabschiedete Zölibatsgesetz dürfte etwa um 300 nC auf der Synode von Elvira (bei Granada) formuliert worden sein.

Im ↗Kanon 33 heißt es:

"Es wurde beschlossen, Bischöfen, Priestern und Diakonen sowie allen Klerikern, die Dienst tun, folgendes Verbot aufzuerlegen: Sie sollen sich ihrer Ehefrauen enthalten und keine Kinder zeugen. Jeder aber, der es trotzdem tut, soll aus der Ehrenstellung des Klerikers verjagt werden."


Auch Anweisungen von ↗Päpsten zum Sexualleben ihrer Geistlichen hat es bereits in der ↗Spätantike gegeben.

Papst Damasus I. (366-384) (dessen Vater Priester gewesen war!) verfügte in Beantwortung einer diesbezüglichen Anfrage u.a.:

"Möchten also zukünftig jene [Priester], die Frauen haben, so leben als hätten sie keine."

Papst ↗Siricius ( 384-399) erwartete von den höheren Weihegraden ab dem ↗Diakon (ob sie nun verheiratet waren oder nicht) ein sexuell enthaltsames Leben.

↗Innozenz I. (402-417)  (Sohn eines Papstes und Enkel eines Priesters) behielt die strenge Linie bei.

405 verfügte  Innozenz auf Anfrage des Bischofs Exuperius von Toulouse, was er mit ↗Priestern und Diakonen machen solle, die unkeusch gewesen waren:

"Jeder, der gegen die auf göttlichem Gesetz basierende Vorschrift und gegen die eindeutige Anordnung des Bischofs Siricius verstoße, entschied Innozenz, müsse ohne Hoffnung auf Rückkehr in die frühere Stellung abgesetzt werden."

Papst ↗Leo I. der Große (440-461) dehnte die Verfügungen des Siricius auf den Subdiakon aus.

Die Begründung Leos war, dass jene, die bei der ↗Sakramentserteilung  mit heiligen Gefäßen in Berührung kommen, nicht durch sexuelle Handlungen "befleckt" sein sollten.  Verheiratete Geistliche sollten ihre Frauen "wie eine Schwester" betrachten.


Solche Bestimmungen waren allerdings jeweils nur zeitlich und örtlich begrenzt wirksam. Es hat immer wieder Kirchenobere gegeben, die sie in ihrem "Herrschaftsbereich" durchsetzen wollten und solche, die sie nicht beachtet hatten.

Bis ins ↗Hochmittelalter hielten sich verheiratete und unverheiratete Kleriker die Waage. Die Ehelosen erlangten allerdings mehr und mehr das Übergewicht, da sie bei der Vergabe höherer kirchlicher Ämter bevorzugt wurden.


Das erste für die Gesamtkirche bedeutsame Verbot der Priesterehe wurde auf der Reichssynode v. Pavia (1022) ausgesprochen:

In den von Papst ↗Benedikt VIII. und Kaiser ↗Heinrich II. gleichermaßen gebilligten Beschlüssen wurde verfügt, dass Kleriker weder Frauen noch Beischläferinnen haben dürfen und die Kinder höriger Kleriker mitsamt ihrem Besitz als ↗Sklaven der Kirche zu behandeln seien.

Die Dekrete von Pavia waren für Italien gültig und erlangten durch Beschlüsse auf der Synode von Goslar (1023) auch für den Herrschaftsbereich der deutschen Fürsten Rechtskraft. Sie blieben ohne Wirkung. Eheschließungen von ↗Bischöfen, Priestern und Diakonen fanden weiter statt.


Dem aus dem ↗Mönchtum hervorgegangen Papst ↗Gregor VII. (1073-1085) lag die Zölibatsfrage besonders am Herzen. Er wurde sogleich initiativ. Priesterehe und ↗Simonie1 waren ihm gleichermaßen ein Gräuel.

Bei der 1. Römischen Synode (1074) ließ Gregor das Problem der Priesterehe gründlich erörtern. Unter Rückgriff auf frühere päpstliche Empfehlungen und Entscheidungen wurden zum Zölibat (und zur Simonie) neun Dekrete verfasst und mit Hilfe von Legaten den Bischöfen und Fürsten zur Kenntnis gebracht.

Von den Priestern wurde Gregors Zölibatsgebot nicht einfach hingenommen. Der Widerstand ging so weit, dass sich beispielweise auf der Synode von Erfurt (1075) Erzbischof Siegfried von Mainz, der die päpstlichen Anordnungen durchsetzen wollte, in Sicherheit bringen musste, weil die Priester drohten, gewalttätig zu werden. Auf anderen Ortskirchenversammlungen, auf denen die päpstlichen Verfügungen verlesen wurden, entstanden ähnliche Tumulte.

Ungeachtet weiterer innerkirchlicher Widerstände  wurden die Anordnungen des Papstes in der Zölibatsfrage auf der Fastensynode (1079) nochmals bestätigt.

1130 wurde auf der Synode von Clermont unter dem Vorsitz von Papst ↗Innozenz II.  neuerlich das Problem der Priesterehe diskutiert. Interessanterweise war das Hauptargument für den Zölibat ein Reinheitsbegriff aus der heidnischen Antike:

"Da sie Tempel Gottes, Gefäße des Herrn und Heiligtümer des Heiligen Geistes sein sollen und so genannt werden sollen, verstößt es gegen ihre Würde, dass sie in Ehebetten liegen und in Unreinheit leben."

Auf der Synode von Lüttich (1031) wurde unter Anwesenheit von Papst Innozenz und Kaiser ↗Lothar III. verkündet, dass verheiratete Priester keine Messe lesen und Laien einer solchen nicht beiwohnen dürfen. Zuwiderhandeln zöge den Kirchenbann nach sich.

Auf dem Laterankonzil von 1139 wurden dann jene Kanones formuliert, die als die für die Gesamtkirche verbindlichen und wirksamen Beschlüsse in der Zölibatsfrage gelten:

Kanon 6:

Wir beschließen auch, dass diejenigen, die im Subdiakonat und in den höheren Weihegraden heiraten oder Konkubinen haben, ihr Amt und ihre kirchlichen Pfründe verlieren. Da sie nämlich Tempel Gottes, Gefäße des Herrn und Heiligtum des Heiligen Geistes sein und auch so genannt werden müssen, ist es unwürdig, dass sie dem Ehebett und der Unreinheit dienen.

Kanon 7:

Nach dem Beispiel unserer Vorgänger, Gregors VII., Urbans und Paschalis’, schreiben wir vor, dass niemand die Messe von Priestern anhören darf, die bekanntermaßen Ehefrauen oder Konkubinen haben. Damit aber das Gesetz der Enthaltsamkeit und die Gott wohlgefällige Reinheit bei kirchlichen Personen und Majoristen2  sich weiter ausbreiten, bestimmen wir, dass Bischöfe, Priester, Diakone, Subdiakone, Regularkanoniker, Mönche und Laienkonversen3, die ihr heiliges Versprechen übertraten und wagten, eine Frau zur Ehe zu nehmen, getrennt werden. Eine derartige Verbindung, die entgegen dem kirchlichen Gesetz eingegangen wurde, erachten wir nicht als eine Ehe.

Dem Sinne nach wurden die Beschlüsse von 1139 vom ↗Mönch Gratian in das von ihm 1140 verfasste kirchenrechtliche Regelwerk (Decretum Gratiani) aufgenommen.

Dass auch die Beschlüsse von 1139 erst nach und nach durchgesetzt werden konnten und nachmals Priester, Bischöfe und selbst Päpste – insbesondere in der ↗Renaissance -  in eheähnlichen Gemeinschaften lebten und um das Wohl der "Familie" und das Fortkommen ihrer Kinder besorgt waren, ist bekannt.

1) Simonie: Ämterkauf
2) Majoristen: Kleriker der kath. Kirche vom Subdiakonat aufwärts
3) Laienkonversen: Laien im Kirchenverband, die ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben




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MfG B.
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