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Rechtsstellung von Juden und anderen Ethnien im Römischen Reich
#1
Zitat:Die Judensteuer war ja mit der Befreiung vom staatlichen Kult verknuepft. Wenn dann jemand behauptet, er muesse die Steuer nicht zahlen, weil er kein Jude sei, aber keiner anerkannten Religion angehoert, erscheint mir die Pruefung sinnvoll; vor allem gilt das dann, wenn dem Pruefer der Unterschied zwischen Juden und Christen nicht klar ist.
Galt diese Steuer denn nur für Juden und nicht für andere unterworfenen Völker? In den Evangelien, die es ins Neue Testament geschafft haben, wird Jesus doch gefragt, ob es richtig, ist, dem Kaiser Steuern zahlen zu müssen, und er gibt eine Antwort, die meistens so interpretiert wird, als ob diese Steuer zu zahlen wäre. Was ich nicht unbedingt so verstehen würde.

Aber wenn der Kaiser diese Stelle nicht auch so (pro-Steuer) verstanden hätte, wäre diese Geschichte ja sicher herausgestrichen worden.
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#2
(18-04-2014, 20:46)Ulan schrieb: Die Judensteuer war ja mit der Befreiung vom staatlichen Kult verknuepft.


(18-04-2014, 23:37)Lelinda schrieb: Galt diese Steuer denn nur für Juden und nicht für andere unterworfenen Völker?


Ich glaube, Ulan wollte sagen, daß ab einer gewissen Zeit jeder im römischen Reich das Recht hatte, sich von der Verehrung der Kaiserstatuen freizukaufen. Das war sicher eine Anlaßgesetzgebung wegen der Israeliten, die ja als einzige monotheistisch waren. Daher schreibt Ulan auch von 'Fiscus Judaicus'
Das war schon ein großes Privileg, sich da freikaufen zu können. Davor wurde die Verehrung der Herrscherstatuen und der Feldzeichen noch erzwungen, die Nichtverehrung bestraft. Vor allem in der Zeit der hellenistischen Besatzung – der Tanach berichtet darüber.

Ob ausschließlich Israeliten davon Gebrauch machten ? Ich denke ja. Denn alle anderen Religionen waren polytheistisch und hatten da keine religiösen Probleme, ein römisches Feldzeichen zu grüßen. Das nichtgrüßenmüssen war ihnen das Geld nicht wert.

So etwas ähnliches hatten dann 1700 Jahre später die Türken in ihrem Weltreich. Juden und Christen wurden als Leute der 'Buchreligionen' nicht getötet, sie galten als 'Schutzbefohlene' oder 'Dhimmi' – sie mußten aber eine drückend hohe Steuer zahlen. Wie heißt es ja so schön "Tribut, Koran oder Schwert"
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#3
Zitat:Ich glaube, Ulan wollte sagen, daß ab einer gewissen Zeit jeder im römischen Reich das Recht hatte, sich von der Verehrung der Kaiserstatuen freizukaufen. Das war sicher eine Anlaßgesetzgebung wegen der Israeliten, die ja als einzige monotheistisch waren.
Dann hätte aber für die Christen das gleiche gelten müssen wie für die Juden, da das Christentum ja auch monotheistisch ist. Das Argument, sich von den Juden absetzen zu wollen, um diese Steuer sparen zu können, hätte dann also nicht gegolten.
Es sei denn, das alles spielt erst dann eine Rolle, als das Neue Testament festgelegt wurde. Da war das Christentum ja schon die vom Kaiser bevorzugte Religion (und vielleicht deswegen doch steuer-befreit?).
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#4
(18-04-2014, 23:37)Lelinda schrieb: Galt diese Steuer denn nur für Juden und nicht für andere unterworfenen Völker?

Es war zunaechst mal eine Strafsteuer fuer die Juden nach dem Krieg, der mit der Zerstoerung des Jerusalemer Tempels endete. Die Hoehe entsprach etwa dem, was die Juden zuvor an Steuer an den Jersualemer Tempel abfuehren mussten, mit dem Unterschied, dass nicht nur erwachsene Maenner zahlen mussten, sondern jeder, gleich welchen Geschlechts oder Alters. Ein vom Judentum getrenntes Christentum gab es im Jahre 70 noch nicht; das Christentum war zu der Zeit nur eine von mehreren Sekten im juedischen Kontinuum, wenn auch mit ausgeprochen hellenistischer Praegung. Das bedeutet, dass zu dieser Zeit Christen noch unter die Steuer fielen.

Da auch jeder zahlen musste, der auch nicht-praktizierend irgendwie juedischem Glauben anhing, oeffnete das der Denunziation Tuer und Tor. Aus diesem Grund wurde die Steuer im Jahre 96 reformiert. Von nun an konnten sich Christen von der Steuer befreien, zum Beispiel dadurch, dass sie zeigen konnten, dass sie nicht beschnitten waren. Die Kehrseite der Medaille war, dass das Christentum vor dem 4. Jahrhundert keine im Roemischen Reich anerkannte Religion war; was dann bedeutet, dass sie dem Staatskult folgen mussten. Daher die Situation: zahle die Juden-Steuer, inklusive ausgehandelter Befreiung vom Staatskult, oder huldige dem Kaiser.
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#5
(19-04-2014, 00:12)Sinai schrieb: Daher schreibt Ulan auch von 'Fiscus Judaicus'.

Ich schrieb 'Fiscus Iudaicus", weil die Steuerbehoerde so hiess und nur Juden betraf. Das Christentum war zu der Zeit eine juedische Mini-Sekte, also betraf es dieses auch.
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#6
(19-04-2014, 01:05)Ulan schrieb: Das Christentum war zu der Zeit eine juedische Mini-Sekte


Ja, in gewisser Weise.
Bis zum Ende des Bar Kochba Aufstandes 135 gab es Doppelzugehörigkeiten.
Diejenigen Christen, die aus dem Judentum kamen (Judenchristen) blieben bis 135 in der Synagoge.
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#7
Wieso, erhöhen Aufstände die Anzahl der Christen ?
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#8
(19-04-2014, 00:48)Ulan schrieb: Ein vom Judentum getrenntes Christentum gab es im Jahre 70 noch nicht

Das ist richtig.



(19-04-2014, 00:48)Ulan schrieb: . . . das Christentum war zu der Zeit nur eine von mehreren Sekten im juedischen Kontinuum, . . .


Das stimmt zum Teil. Viele Christen gehörten bis 135 der Synagoge an (Judenchristen) – aber nicht alle. Die Heidenmission hatte schon begonnen. Abgesehen davon widersprach die Idee eines gestorbenen Messias der später wiederkehren wird, der jüdischen Religion. Ein zweimaliges Kommen des Messias ist keineswegs "im juedischen Kontinuum" zu sehen. Das ist ein glatter Bruch mit der jüdischen Religion.



(19-04-2014, 00:48)Ulan schrieb: wenn auch mit ausgeprochen hellenistischer Praegung.

Das ist absolut unrichtig.
Das Christentum war dem hellenistischen Polytheismus gegenüber von Anfang an feindlich eingestellt. Zeus wurde von allen Christen abgelehnt. Und das riesige hellenistische Pantheon ebenso.
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#9
(19-04-2014, 00:48)Ulan schrieb: Von nun an konnten sich Christen von der Steuer befreien, zum Beispiel dadurch, dass sie zeigen konnten, dass sie nicht beschnitten waren.
( . . . )
Daher die Situation: zahle die Juden-Steuer, inklusive ausgehandelter Befreiung vom Staatskult, oder huldige dem Kaiser.


Den römischen Behörden war es völlig egal, ob jemand beschnitten war.
Die Frage war: "huldigt er dem Kaiser ?"

Wenn ja, dann zahlte er keine Steuer

Wenn nein, dann mußte er zahlen.
Alles andere wäre verwaltungsjuristisch nicht administrierbar gewesen.
Kein Beamter interessierte sich für 'Feinheiten' ob X unbeschnitten war aber dennoch dem Kaiser nicht huldigen wollte, ob Y an Jahwe allein glaubt oder auch an seinen Sohn (wobei in der semitischen Welt 'Sohn' auch die Bedeutung Untergebener hatte). Auf solche Spitzfindigkeiten und Diskussionen ließen sich die Beamten gar nicht ein.
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#10
Eine Spitzfindigkeit wäre es eher zu beurteilen ob einer dem Kaiser huldigt oder nicht.

Beschnitten zu beurteilen ist wahrlich kein grosser Akt.
Ist natürlich die Frage wie es bis zur Beschneidung aussah, war aber ein Frage von Tagen.
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#11
(19-04-2014, 02:22)Harpya schrieb: Eine Spitzfindigkeit wäre es eher zu beurteilen ob einer dem Kaiser huldigt oder nicht.

Beschnitten zu beurteilen ist wahrlich kein grosser Akt.


Der römische Jurist geht immer nach Äußerlichkeiten. Das ist auch heute so. (Denn die römische Rechtstradition blieb erhalten. Die deutschen Juristen müssen Römisches Recht lernen.)

Ob sich einer vor einer Kaiserstatue niederknien kann oder ob er das aufgeregt verweigert, ist leicht zu beobachten. Das ist ein Akt im Außenverhältnis der Person gegenüber dem römischen Staat.

Beschneidung ist hingegen ein Phänomen, das das Innenverhältnis der Person zu seiner Heimatreligion bedeutet. Privatsache. Für den römischen Beamten unerheblich. Im Imperium Romanum gab es eine Unzahl von Völkern und Kulten. Auch in der Stadt Rom oder in der Provinz Judäa. Es wimmelte von Beschnittenen und Unbeschnittenen, von Tätowierten, von Männern mit zerschnittenem Gesicht

Da hätte der Beamte viel zu tun gehabt, alle diese Kulte auseinanderzukennen.

Daher nur die Frage: "huldigt er dem Kaiser ?"

Der Rest war egal.
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#12
Und wie stellt man sowas fest ?
Wird ja wohl kaum bei jedem Neubürger ein Indizienprozess geführt.
Die Anzahl der ins steuerplichtigen Alter Kommenden jeweils jedes Jahr im Einzelfall zu
prüfen ist wohl illusorisch.
Da dürfte eher mit der großen Kelle beurteilt worden sein.
Nazareth= Jude= zahlen.

Sind ja schiesslich auch nicht nur göttlich Vergeistigte rumgelaufen.
Mehrwertsteuer/Abgaben für Märkte/Dienstleistungen... macht sowieso keine Unterschiede.

Kann mir nicht vorstellen das alle die dem Kaiser mal huldigten ständig überprüft wurden ob
das auch wiederkehrend taten und nicht abgefallen sind.

Die Art der Steuern wurde noch garnicht angesprochen.
Grundstück/Eigentum/Kinderanzahl.......

Unter den Franzosen damals hier wurde sogar die ANzahl der Fenster im Haus besteuert, vielleicht
gabs das damals auch schon

Denk nicht das man das so dezidiert heute auseinanderfiedeln kann, war sicher auch lokal unterschiedlich.
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#13
(19-04-2014, 01:52)Sinai schrieb: Bis zum Ende des Bar Kochba Aufstandes 135 gab es Doppelzugehörigkeiten.
Diejenigen Christen, die aus dem Judentum kamen (Judenchristen) blieben bis 135 in der Synagoge.


(19-04-2014, 02:29)Ulan schrieb: Und oft genug auch danach.


Nein. Nach der Niederwerfung des Bar Kochba Aufstandes wurden die getauften Juden aus allen Synagogen ausgeschlossen. Wegen ihres gewaltlosen Verhaltens während des Aufstands.
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#14
(19-04-2014, 02:06)Sinai schrieb: Das stimmt zum Teil. Viele Christen gehörten bis 135 der Synagoge an (Judenchristen) – aber nicht alle. Die Heidenmission hatte schon begonnen. Abgesehen davon widersprach die Idee eines gestorbenen Messias der später wiederkehren wird, der jüdischen Religion. Ein zweimaliges Kommen des Messias ist keineswegs "im juedischen Kontinuum" zu sehen. Das ist ein glatter Bruch mit der jüdischen Religion.

Es gibt keinerlei Anzeichen, dass sich die Christen damals als ausserhalb des juedischen Kontinuums stehend ansahen. Sie waren zunaechst einmal nur eine Sekte unter vielen, die alle sehr unterschiedliche Ansichten hatten. Erst nach dem Untergang des Tempels reduzierte sich die Anzahl der Sekten, so dass hauptsaechlich all die verschiedenen Schattierungen des Christentums und die Pharisaeer uebrig blieben, wobei letztere langsam in das rabbinische Judentum uebergingen.

Ich wuerde den Hauptmotor fuer die Entstehung eines unabhaengigen Christentums bei Markion sehen, der den totalen Bruch mit dem Judentum propagierte und als erster ein Neues Testament schuf. Auch wenn der protCoolrthodoxe Fluegel der Christenheit ihm darin nicht folgen wollte, war dies doch die Initialzuendung.

(19-04-2014, 02:06)Sinai schrieb:
(19-04-2014, 00:48)Ulan schrieb: wenn auch mit ausgeprochen hellenistischer Praegung.

Das ist absolut unrichtig.
Das Christentum war dem hellenistischen Polytheismus gegenüber von Anfang an feindlich eingestellt. Zeus wurde von allen Christen abgelehnt. Und das riesige hellenistische Pantheon ebenso.

"Hellenismus" hat erst einmal nichts mit "Polytheismus" zu tun. So oft, wie wir diesen Austausch schon hatten, solltest Du das eigentlich mittlerweile wissen. Paul, als Hauptgruenderfigur des Christentums, war ein hellenistischer Jude aus Kleinasien, nach konservativer Lesart. Es ist fraglich, ob er ueberhaupt Hebraeisch konnte; wahrscheinlich nicht. Das NT ist komplett original in Griechisch verfasst. Einfluesse des Platonismus und wohl auch des Kynismus sind unverkennbar. Markion war aus Kleinasien, ebenso Polykarp. Die Version des Alten Testaments, die die Urchristen benutzten, stammte aus Alexandria. Die starken hellenistischen Praegungen des Christentums sind unverkennbar.
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#15
(19-04-2014, 02:17)Sinai schrieb: Den römischen Behörden war es völlig egal, ob jemand beschnitten war.

Kein Beamter interessierte sich für 'Feinheiten' ob X unbeschnitten war ...

Das ist absolut falsch. Warum verbreitest Du eigentlich immer Deine persoenlichen Vorstellungen als Tatsachen? Suetonius berichtet z.B. von einer Ueberpruefung der Beschneidung zur Entscheidung der Steuerfragen.
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