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Spinoza und seine Familie
#1
Sinai (in: Wann lösten sich die Christen vom Judentum, was waren die Gründe?, Beitrag 34) schrieb:Die Familie Spinoza war katholisch und übersiedelte nach Amsterdam. Dort suchte die Katholikenfamilie die Synagoge auf und trat geschlossen zum Judentum über.

Dass die Familie Spinoza aus Glaubensgründen Portugal (das damals zu Spanien gehörte) verlassen musste und in Holland Asyl gefunden hatte ist bekannt.

Welche Dokumente, die die Zugehörigkeit der Familie Spinoza zur katholischen Kirche nachweisen, kennst Du?

In welchem Jahr haben die Übersiedlung nach Amsterdam und der geschlossene Übertritt der Familie zum Judentum stattgefunden?
MfG B.
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#2
In meinem Lexikon steht: "Benedictus (Baruch) de Spinoza" (1632-77) - holländischer Philosoph. Geboren im Getto von Amsterdam als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns, Ausbildung in einer jüdischen Schule mit Einführung in den Talmud ...

Dass Eltern oder Familie katholisch gewesen sein sollen, steht da nicht. Aber man lernt bekanntlich nie aus ...
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#3
(24-04-2014, 23:06)Ekkard schrieb: In meinem Lexikon steht: "Benedictus (Baruch) de Spinoza" (1632-77) - holländischer Philosoph. Geboren im Getto von Amsterdam als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns, Ausbildung in einer jüdischen Schule mit Einführung in den Talmud ...

Dass Eltern oder Familie katholisch gewesen sein sollen, steht da nicht. Aber man lernt bekanntlich nie aus ...

Kenne mich jetzt nicht so genau aus,
kann es bei einer katholischen Staatsreligion nicht jüdische Katholiken
oder katholische Sikh geben ?
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#4
(24-04-2014, 23:06)Ekkard schrieb: In meinem Lexikon steht: "Benedictus (Baruch) de Spinoza" (1632-77) - holländischer Philosoph. Geboren im Getto von Amsterdam als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns, Ausbildung in einer jüdischen Schule mit Einführung in den Talmud ...

Dass Eltern oder Familie katholisch gewesen sein sollen, steht da nicht. Aber man lernt bekanntlich nie aus ...

Benedictus ist kein jüdischer, sondern ein katholischer Vorname . . .


Es gibt viele Hinweise in der Literatur.
"Der Vater von Spinoza hat die Iberische Halbinsel verlassen um Ruhe zu finden. Spinoza fand diese Ruhe nie. Weder als Christ noch als Jude." Marranen – Wikipedia

Die katholische Familie Spinoza ist geschlossen zum Judentum übergetreten, eigentlich ist sie wieder in den Schoß des Judentums zurückgekehrt.

Es waren geheime Juden, sogenannte Marranen. Wegen des Drucks durch die Inquisition hatte sich die Familie Spinoza in Portugal taufen lassen, aber als sogenannte "Marranen" den jüdischen Kult im Geheimen weitergeführt. Das war sehr riskant, darauf stand die Todesstrafe. Und die Inquisition war sehr aktiv, um die Marranen aufzuspüren. Nach einigen Generationen der ständigen Angst floh die Famile Spinoza – zunächst nach Frankreich, von dort ins protestantische Amsterdam. Dort ließen sich die männlichen Familienangehörigen beschneiden und die Familie trat offen zum Judentum über. Da gibt es eine spannende Geschichte darüber zu lesen.

Denn durch ihre portugiesische Sprache war die Familie Spinoza zunächst verdächtig im protestantischen Amsterdam. Die Protestanten glaubten, daß die Familie Spinoza als Spione im Auftrag der iberischen Katholiken gekommen sei. Denn der Freiheitskampf der protestantischen Niederlande war noch nicht endgültig ausgestanden. Das Haus der Familie Spinoza wurde umstellt. Da bekamen diese Menschen Angst, einer sprang aus einem Fenster auf der Hinterseite des Hauses und versuchte zu flüchten. Das schien dann noch verdächtiger. Der Flüchtige wurde von den Hunden eingeholt und gefaßt, dann wurde er verhaftet. Und dann die gesamte Familie. Aber nach einer kurzen Einvernahme ersuchte der Familienälteste um Beiziehung des ansäßigen Rabbiners. Der Rabbiner vernahm die gesamte Familie und nach einigen Stunden war er überzeugt, daß das harmlose Geheimjuden sind. Die Familie wurde freigelassen und trat zum Judentum über.
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#5
Das scheint sogar zu stimmen. Gemaess Wikipedia stammt die Familie aus Spanien (Kastilien), wurde 1492 vertrieben und 1498 in Portugal zur Konversion zum Katholizismus gezwungen. Als Quellen wurden Javier Muguerza in Desde la perplejidad und Ben-Menahem, Ari, Historical Encyclopedia of Natural and Mathematical Sciences, Volume 1 (Springer, 2009), p. 1095 angegeben. Spinozas Grossvater zog nach Nantes, dann erneute Vertreibung 1615, Umzug nach Rotterdam. Nach Tod des Grossvaters 1627 Umzug nach Amsterdam, anschliessende Rueckkonversion zum Judentum. Die spaeteren Dinge sind mit Scruton, Roger, Spinoza: A Very Short Introduction, 1986/2002 (Oxford University Press, Oxford England) belegt.
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#6
(25-04-2014, 03:01)Ulan schrieb: Gemaess Wikipedia stammt die Familie aus Spanien (Kastilien), wurde 1492 vertrieben und 1498 in Portugal zur Konversion zum Katholizismus gezwungen.

Es ist nicht abwegig, derlei zu vermuten.

Ulan schrieb:Als Quellen wurden ...angegeben.

Gut! Da wird ein Sachverhalt behauptet.

Mich würde interessieren, ob solche Behauptungen ausreichend belegt sind.

Zitat:Nach Tod des Grossvaters 1627 Umzug nach Amsterdam,…

Die Großeltern mütterlicherseits sind jedenfalls schon vor 1619 in Amsterdam ansässig und der dortigen portugiesisch-jüdischen Gemeinde zugehörig.

Der Großvater väterlicherseits, vermutlich Isaac de Spinoza, stirbt in Rotterdam, war jüdischen Glaubens und wurde auf dem jüdischen Friedhof Bet Haim von Ouderkerk begraben.

Quelle: Begräbnisbuch des Friedhofs Bet Haim von Ouderkerk

Eintrag: Am 9. April 5387 (= 1627) wurde beerdigt Izac Ispinoza, der aus Nantes nach Rotterdam kam, wo er starb.

Zitat:…, anschliessende Rueckkonversion zum Judentum.

Da der Großvater bereits auf einem jüdischen Friedhof nach jüdischem Brauch beerdigt wurde, müsste eine Rückkonversion bereits früher erfolgt sein?

Ulan schrieb:Die spaeteren Dinge sind mit Scruton, Roger, Spinoza: A Very Short Introduction

Das Buch kenne ich nicht.

Wenn in diesem Text die Geschichtchen, die Sinai zu erzählen weiß, wiedergegeben sind, wäre interessant zu wissen, welche Quellen Roger Scruton benutzt hat.
MfG B.
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#7
Ja, ist schon klar. Was mich vor allem stutzig macht ist die behauptete Vertreibung aus Nantes 1615. Das macht keinen Sinn, wenn sie zu diesem Zeitpunkt katholisch waren.
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#8
(25-04-2014, 10:05)Ulan schrieb: Ja, ist schon klar. Was mich vor allem stutzig macht ist die behauptete Vertreibung aus Nantes 1615. Das macht keinen Sinn, wenn sie zu diesem Zeitpunkt katholisch waren.

Wenn sie offiziell katholisch waren, jedoch heimlich im Familienkreis den jüdischen Glauben praktizierten, waren sie ständig in Lebensgefahr. Inquisition !

Das waren eben crypto jews und sehr gefährdet.


Wenn Du was über die Familie Spinoza in Nantes lesen willst:

Gib ein im Google: Spinoza Nantes
Du findest:
THE PORTUGUESE CRYPTO JEWS OF NANTES - Society ...
*www.cryptojews.com/Ayoun.htm

Link unanklichbar gemacht./Bion


Society for Crypto Judaic Studies
The portuguese crypto jews of Nantes in the 16th century
by Richard Ayoun

Richard Ayoun schreibt:
"After Phillip II of Spain conquered Portugal in 1580, the Inquisition spread rapidly throughout the country. Emigration increased among New Christians or Crypto Jews, escaping from the inquisitors who punished those not following the state religion. Numerous subjects of Philip II began arriving in Nantes, attracted to this cosmopolitan city by the area’s trade and commerce . . . "


Zu Richard Ayoun:
"Richard Ayoun (born 23 January 1948 in Algeria, died on 30 May 2008 in Paris, France) was a professor at University of Paris, Institut National des Langues et Civilisations Orientales (INALCO), Jewish historian and lecturer in Sephardic language and civilization."
Richard Ayoun - Wikipedia, the free encyclopedia

Ein Professor für sephardische Sprache und Kultur an der Universität von Paris
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#9
@Sinai

Die Tatsache, dass portugiesische Marranen zunächst nach Frankreich emigrierten, ein Teil von ihnen nach Rotterdam, Amsterdam, etc. weiterzog - und sich unter diesen auch Vater und Großvater Spinozas befanden -, zieht ja niemand in Zweifel.

L. Poliakov (Geschichte d. Antisemitismus, Bd. 4. Die Marranen im Schatten der Inquisition, 143) meint dazu in einer Fußnote:

Es hat den Anschein, daß kein jüdischer Historiker sich mit jenem Zustrom von Marranen nach Frankreich aus Anlaß der Vertreibung der Morisken näher befasst hat.
[…]
Auch wenn Zahlen darüber fehlen, so scheint die Tatsache der Einreise einer gewissen Anzahl portugiesischer Marranen aus Anlaß des Auszugs der Morisken nicht in Zweifel gezogen werden zu können. Unter der toleranten Regierung König Heinrichs IV. war die Atmosphäre dafür günstig.
[…]
Nach Leon Brunschwieg "haben sich in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts Portugiesen in recht großer Anzahl in Nantes niedergelassen, ohne Protestaktionen hervorzurufen...
König Heinrich IV. nahm diese Flüchtlinge unter seinen Schutz und verstand es, sie dort gegen alle Einsprüche festzuhalten..." (L. Brunschwieg, Les Juifs des Nantes et du pays nantais, Nantes 1890, S. 12 ff).
[…]
Man weiß, daß die Familie von Spinoza unter anderen zu diesen "Portugiesen" gehörte.


Was ich in Zweifel ziehe sind die Einzelheiten, die Du zu erzählen weißt, zumal die Quellenlage in der Sache dürftig ist.

An der Quelle zu den Details, die Du berichtet hast, wäre ich interessiert.
MfG B.
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#10
(25-04-2014, 18:13)Bion schrieb: Was ich in Zweifel ziehe sind die Einzelheiten, die Du zu erzählen weißt, zumal die Quellenlage in der Sache dürftig ist.

An der Quelle zu den Details, die Du berichtet hast, wäre ich interessiert.


Ich habe einen Kollegen, der auf der Suche nach Quellen folgenden Trick versucht:

anstatt mich freundlich um Nennung von Quellen zu ersuchen (die ich ihm sicher bereitwillig genannt hätte) will er mich aus der Reserve locken – er versucht, meine Forschungen anzuzweifeln und hofft, daß ich jetzt voller Bestürzung die von ihm heiß ersehnten Quellen herausrücken werde . . .
Eusa_dance
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#11
Falsch! Es gehört zum guten Stil, schwer vorstellbare und unplausible Sachbehauptungen auch zu belegen. Es ist doch nicht so schwierig ein, zwei oder drei Bücher zu nennen. Darf ja auch Sekundärliteratur sein, wo man mal hinten nachsieht, welche Quellen benutzt werden/wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#12
Hallo Bion
Gib ein im Google: Marranen Amsterdam

Auf Seite 2 findest Du folgenden Eintrag:

Die Marranen feiern Jom Kippur - Die Hohen Feiertage
(Dort ist ein Link von chabad.org den Du anklicken kannst)
Nach außen hin waren sie spanische Adelige, insgeheim aber Marranen: ... sein Sohn in Amsterdam an und gingen in die Junkerstraat, wo die Marranen sie ...

Das ist eine Seite der prominenten jüdischen Chabad Gemeinschaft
chabad.org
Ihre deutschsprachige Zeitschrift heißt Jüdische.info

Da gibt es immer wieder Erzählungen, eine davon schildert beeindruckend wie das damals in Amsterdam war:

"Zwei Schiffe trieben hilflos in der Nordsee. Starker Wind und hohe Wellen beschädigten die Ruder, und das Schiff war dem Sturm ausgeliefert. Zum Glück trieben die Schiffe auf die holländische Küste zu, . . .
( . . . )
Die g-ttliche Vorsehung brachte sie an die Küste der Niederlande, die vor kurzem die spanische Herrschaft abgeschüttelt hatten.
( . . . )
Die Nachbarn hatten bemerkt, dass viele Spanier sich hinter verschlossenen Türen versammelten, und sie hörte von drinnen sonderbare Laute. Das machte sie misstrauisch. Sie benachrichtigten den Bürgermeister der Stadt, denn sie dachten, jemand schmiede ein Komplott gegen ihr freies Land, um es wieder dem spanischen König in die Hände zu spielen.
Der Bürgermeister ging mit einem Trupp Soldaten in die Junkerstraat. Er klopfte an die Tür und rief: “Aufmachen, im Namen des Gesetzes!”
Die G-ttesdienstbesucher erstarrten vor Schreck. “Die Inquisition ist hier!” Eine Panik brach aus, und einige sprangen aus dem Fenster, wurden aber gefangengenommen.
"

Lies selbst diese Erzählung. Ist eine interessante Schilderung wie es damals war. Du solltest so was nicht als 'Geschichtchen' abwerten, Juden haben eben eine Familientradition und die Alten erzählen das den Kindern. So ist das seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden . . .
Diese Erzählungen wurden gesammelt.
Immerhin ist das von Chabad ins Netz gestellt worden, eine prominente Gruppe im Judentum.
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#13
(25-04-2014, 01:55)Sinai schrieb:
(24-04-2014, 23:06)Ekkard schrieb: In meinem Lexikon steht: "Benedictus (Baruch) de Spinoza" (1632-77) - holländischer Philosoph. Geboren im Getto von Amsterdam als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns,...

Benedictus ist kein jüdischer, sondern ein katholischer Vorname . . .

Er hat sich erst später Benedict genannt. In der Familie hieß er Bento, in der Synagoge Baruch.
MfG B.
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#14
(26-04-2014, 22:23)Sinai schrieb: Hallo Bion
Gib ein im Google: Marranen Amsterdam
[...]

Was sind die Fakten?

Ausreichend gesichert ist, dass der Großvater v. B. Spinoza (Isaak de Spinoza) nach 1588 (der Vater Michael wurde noch in Portugal geboren) nach Frankreich emigrierte. Sehr wahrscheinlich ist, dass die Emigration erst mit Regierungsantritt Heinrich IV., der für seine Toleranz in Sachen Religion bekannt war, also 1594 oder danach erfolgte.

Es muss angenommen werden, dass sich die Familie in Portugal (das damals zu Spanien gehörte) zur katholischen Kirche bekannt hatte. Belege dazu gibt es nicht. Wann die Rückkonversion von Großvater Isaak, Vater Michael und Großonkel Abraham erfolgte, ist nicht bekannt. Eine solche könnte durchaus schon in Nantes erfolgt sein.

In Rotterdam und Amsterdam gehörten sie jedenfalls schon den dortigen portugiesisch-jüdischen Gemeinden an.

Nach dem Tod Heinrich IV. (1610) wurde das Leben der Juden in Nantes schwierig, ab 1615 unmöglich, zumal die Königin-Regentin die Ausweisung der Juden verfügte.

Es darf angenommen werden, dass die Übersiedlung der Spinozas in die Niederlande nach 1610, spätestens aber 1615 erfolgte.
MfG B.
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#15
(26-04-2014, 22:53)Bion schrieb: Er hat sich erst später Benedict genannt.


Was meinst Du mit 'später' ?
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