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JESUS & die Zeloten (Forschungserkenntnisse)
#1
Sehr geehrte Forenfachleute,

... ich habe jüngst ein Fachbuch gesehen das das Verhältnis zw. JESUS und den ZELOTEN thematisierte. Dabei wurde JESUS als Sympathisant dieser Bewegung dargestellt. Das ist sicherlich schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, dass ihm wahrscheinlich eine  zutiefst pazifistische Einstellung zu eigen war. 

Hierüber wissen wird doch bis heute nicht gerade viel ; möglicherweise weil dieser Gesichtspunkt nicht im Blickfeld der Bibelforschung bisher gestanden hat. In diesem  Zusammenhang habe ich in der Vergangenheit immer wieder gehört dass JUDAS ISKARIOT sowie ein weiterer JÜnger ursprünglich aus der zelotischen Bewegung zu Jesus gestoßen war.

Darüber hinaus liegen mir keine Erkenntnisse vor, dass die ZELOTEN wirklich auf einen radikalen Regierungsumsturz und somit einer gewaltsamen Vertreibung der Römer gesetzt und das aktiv durch Unruhen vorangetrieben haben. Inwieweit liegen denn zu den besagten Sachverhalten inzw. zielführende Informationen vor auf die man sich ggf. berufen könnte ? - Viele Fachbücher sind in der Regel leider bisher nur gespickt mit einer Fülle von unbewiesenen Hypothesen.
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#2
(07-04-2016, 15:16)Kreutzberg schrieb: Darüber hinaus liegen mir keine Erkenntnisse vor, dass die ZELOTEN wirklich auf einen radikalen Regierungsumsturz und somit einer gewaltsamen Vertreibung der Römer gesetzt und das aktiv durch Unruhen vorangetrieben haben. Inwieweit liegen denn zu den besagten Sachverhalten inzw. zielführende Informationen vor auf die man sich ggf. berufen könnte ? - Viele Fachbücher sind in der Regel leider bisher nur gespickt mit einer Fülle von unbewiesenen Hypothesen.

Der Begriff "Zelot" wird hauptsaechlich fuer einen Angehoerigen einer paramilitaerischen Widerstandsbewegung gegen die roemische Besatzung verwendet (siehe Wikipedia bezueglich der Hauptverwendung des Begriffs). Jesus hatte Simon Zelotes und Judas Iskariot unter seinen Juengern, wobei das erste mit "Simon der Zelot" und das zweite mit "Judas der Sikarier" uebersetzt werden kann. Die Sikarier waren eine Untergruppe, die Dolch-Attentate veruebte.

Im Prinzip wird der Begriff "Raeuber" in der Zeit Jesu von den Roemern ebenfalls pauschal fuer Aufstaendische verwendet, so dass man derlei Sachverhalt in den Text lesen kann (Barabbas - auch Jesus Barabbas lt. einiger Mt-Codices -  ist im Markus-Evangelium ein solcher Aufstaendischer). Interessanterweise trifft das auch fuer den Begriff "Galiläer" zu, der nicht unbedingt jemanden von Galiläa bezeichnen muss, sondern auch schlicht fuer ein Mitglied der Aufstandsbewegung verwendet wird (siehe Judas der Galiläer, ein prominenter Zeloten-Anfuehrer, der zur Zeit Jesu zum Aufstand aufrief).

Die Zeloten waren massgeblich an etlichen Aufstaenden und schliesslich am Ausbruch des Juedischen Krieges beteiligt, der dann zur Zerstoerung des Tempels fuehrte. Wen das alles interessiert, der sollte die Schriften des Flavius Josephus lesen.
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#3
(07-04-2016, 18:04)Ulan schrieb: Die Zeloten waren massgeblich an etlichen Aufstaenden und schliesslich am Ausbruch des Juedischen Krieges beteiligt, der dann
zur Zerstoerung des Tempels fuehrte. Wen das alles interessiert, der sollte die Schriften des Flavius Josephus lesen.


Was mir nicht nachvollziehbar ist:
Der Tempel besteht aus meterdicken Steinquadern.  Selbst wenn das gesamte Mobilar abbrennt (Holzbänke), dann stinkt es innen nach Brand und die Wände sind nicht weiß sondern ekelig grau-schwarz. Aber die dadurch entstehenden Flammen sind doch niemals in der Lage, diesen massiven Steinbau zu zerstören.

Irgendwas ist an der Story des (hochverdächtigen) Flavius Josephus faul.
Eine antike Skandalnudel ersten Ranges!  Ein Sadduzäer der zu den Pharisäern überläuft und dann zu den Römern überläuft. Unglaubwürdiger kann eine Person gar nicht mehr sein!

Man mache ein Experiment:  Baut einen Tempel in der Größe 4 x 4 Meter und 2 Meter hoch, aus 5 cm dicken Betonplatten. Eine Miniatur. Und innen gebt Ihr kleine miniaturisierte Holzbänkchen rein.
Und dann zündet den ganzen Dreck an.

Es wird fürchterlich qualmen und stinken, beißender Teergeruch, innen rußig wie ein Ofen, aber der Steinbau wird doch niemals einstürzen von den paar Flammen und Glutnestern. Der "Tempel" wird nicht mal richtig heiß werden, vielleicht gerade mal 60° C, so daß man rohe Eier drauf schlagen kann und nach 10 Minuten wird mit Bauchweh und hoffen so etwas wie ein Spiegelei daraus . . .
Aber mehr tut sich da nicht !
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#4
(07-04-2016, 20:06)Sinai schrieb: Was mir nicht nachvollziehbar ist:
Der Tempel besteht aus meterdicken Steinquadern.  Selbst wenn das gesamte Mobilar abbrennt (Holzbänke), dann stinkt es innen nach Brand und die Wände sind nicht weiß sondern ekelig grau-schwarz. Aber die dadurch entstehenden Flammen sind doch niemals in der Lage, diesen massiven Steinbau zu zerstören.

Der Tempel, die Mauern, der Palast des Herodes etc. wurden absichtlich niedergerissen. Aus den Steinen des Herodes-Palastes wurde z.B. ein roemisches Legionslager gebaut. Die Stadt wurde systematisch geschleift. Ich nehme mal an, viele Steine des Herodianischen Tempels wurden fuer den nachfolgenden Bau des Jupitertempels an dieser Stelle wiederverwendet. Dier Jupitertempel stand bis zu Konstantins Zeiten.
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#5
Ich denke die Angaben sind recht eindeutig : danke für die ausführliche Auskunft. Allerdings gibt es auch heute noch historisch strittige Punkte welche in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen.

These 1
So wird bspw. behauptet dass es gut 50 verschiedene Glaubensauslegungen im Judentum gab. Das war denn römischen Besatzern offenbar irgendwann zu viel. So kam es dann zur Zerstörung des jüdischen Tempels.

These 2
Das römische Imperium hatte Geldprobleme wegen der vielen Prunkbauten NEROS. Dieses Defizit zum kompensieren musste man das Geld durch diese Form der Kleptokratie wieder hereinholen. Diese Version lehnen natürlich seriöse Bibelforscher kategorisch ab, wenn ich das richtig sehe.

Wo liegt hier die Wahrheit ? - Bücher grenzen derartig gewagte Thesen meist aus.
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#6
(08-04-2016, 11:33)Kreutzberg schrieb: Ich denke die Angaben sind recht eindeutig : danke für die ausführliche Auskunft.
Gern geschehen. Es ist ja durchaus einer der Konfliktpunkte in den Evangelien, dass die Juenger annahmen, Jesus wollte weltlicher Herrscher sein. Da passen solche Erklaerungen natuerlich, auch wenn man bedenkt, dass Petrus bewaffnet herumlief.

(08-04-2016, 11:33)Kreutzberg schrieb: Allerdings gibt es auch heute noch historisch strittige Punkte welche in diesem Zusammenhang immer wieder auftauchen.

These 1
So wird bspw. behauptet dass es gut 50 verschiedene Glaubensauslegungen im Judentum gab. Das war denn römischen Besatzern offenbar irgendwann zu viel. So kam es dann zur Zerstörung des jüdischen Tempels.

Die Sache mit den verschiedenen juedischen Parteien ist ein schwieriges Pflaster. Sowohl Philon von Alexandria als auch der obengenannte Josephus schreiben ueber eine ganze Reihe von juedischen Parteien. Die starke Rolle der Sadduzaeer und der Pharisaeer ist hinreichend belegt, aber auch fuer die Taeufer-Bewegung finden sich Hinweise. Die Existenz der Essener ist immer noch umstritten. Tatsache ist sicherlich, dass es immer wieder auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen kam.

Nur, dass die Roemer sich in die internen Glaubensauseinandersetzungen der Juden einmischen wuerden, halte ich fuer eine unbelegte Behauptung. Sie wollten nur Ruhe haben.
(08-04-2016, 11:33)Kreutzberg schrieb: These 2
Das römische Imperium hatte Geldprobleme wegen der vielen Prunkbauten NEROS. Dieses Defizit zum kompensieren musste man das Geld durch diese Form der Kleptokratie wieder hereinholen. Diese Version lehnen natürlich seriöse Bibelforscher kategorisch ab, wenn ich das richtig sehe.

Wo liegt hier die Wahrheit ? - Bücher grenzen derartig gewagte Thesen meist aus.

Diese These halte ich fuer falsch (nicht die Geldprobleme, aber die Verknuepfung). Der Juedische Krieg und der Neubau Jersualems waren immens teuer. Auch war es fuer die Roemer im Prinzip viel ertragreicher, einfach Klientelregierungen einzusetzen, die einen eigenen Verwaltungsapparat groesstenteils ueberfluessig machten. Auch das Konstrukt, grossen Tempeln eine gewisse Eigenstaendigkeit in Verwaltung und Bewirtschaftung zu geben, ist auch fuer andere Tempel im Roemischen Reich belegt (vor allem in Griechenland). Die Hoffnung, die damit verbunden ist, ist, dass die einheimische Bevoelkerung bei einer einheimischen Regierung ruhiger bleibt. In Judaea hatte sich diese Hoffnung aber nicht erfuellt. Die Herodianer hatten ein Legitimitaetsproblem und wurden von Teilen der Bevoelkerung abgelehnt. Selbst der Tempel wurde von einigen Bewegungen abgelehnt (siehe DSS). Es gab dauernd Querelen wegen irgendwelcher Kleinigkeiten (Legions-Standarten, der Adler am Herodianischen Tempel, etc.).

Nicht zuletzt war der Juedische Krieg genau das, ein richtiger Krieg. In einem einzigen Hinterhalt toeteten die juedischen Truppen z.B. 2000 roemische Soldaten. So etwas bleibt nicht ungesuehnt. Die Roemer waren diese Querelen um den Tempel schlicht leid. Die Beseitigung des Tempels, als was sie als Ursache der Querelen betrachteten, war ein Versuch, dieses Problem ein fuer alle mal zu loesen. Der Fiscus Iudaicus (die Judensteuer) wurde erst als Reaktion auf diesen Krieg eingefuehrt, durch Vespasian.

Ein weiterer Punkt: Die Zerstoerung des Tempels war gewiss sehr wichtig fuer die Entstehung des rabbinischen Judentums und des Christentums, da das Zentrum der juedischen Religion, und damit das ganze Opfer-System, ploetzlich ersatzlos wegfiel. Im Zuge der Auseinandersetzungen mit Rom ist der Krieg aber ueberbewertet, hauptsaechlich deshalb, weil wir dafuer so gute Quellen haben. Jerusalem war weder die groesste Stadt in Judaea noch Judaeas Hauptstadt (beide Titel gehen an Caesarea Maritima), und es war bei weitem nicht die groesste juedische Stadt (das waere Alexandria in Aegypten waehrend dieser Zeit). Auch war die Landbevoelkerung Judaeas, abgesehen von allgemein wirtschaftlichen Kriegsfolgen, wohl kaum von den Zerstoerungsmassnahmen betroffen.

Natuerlich ging das juedisch-roemische Verhaeltnis noch weiter den Bach runter. Das Judentum war um die Zeit eine missionierende Religion, und es gab viele Konflikte. Schon vor dem Juedischen Krieg (66-73) gab's die Progrome in Alexandria (40) oder einen Aufstand in Galilaea (46-48). Die spaeteren, groesseren Kriege waren der Diaspora-Aufstand (auch 2. juedisch-roemischer Krieg) unter Trajan 115-117, welcher hauptsaechlich in der Kyrenaika, Aegypten, Zypern und Mesopotamien stattfand und wohl Hunderttausende Roemer und andere das Leben kostete, wenn man den Quellen glaubt. Der Bar-Kochba-Aufstand (oder 3. juedisch-roemische Krieg) in den Jahren 132-135 war dann das letzte Kapitel, wieder in Judaea. Wahrscheinlich als Geste des guten Willens wurde 131 an der Stelle Jerusalems von Hadrian die Stadt Aelia Capitolina gegruendet, aber das kam gar nicht gut an. Hier wurde dann seitens der Roemer der endgueltige Schlusstrich gezogen.
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#7
a) War Jesu denn bewußt dass einige Gruppierungen eine blutige Revolution anstrebten und somit die Römer vertreiben wollten ? Davon ist doch wohl auszugehen. Die mir bekannten Ausführungen zeigen ja dann doch eher ein Nichtverhältnis von Jesus zu den Zeloten. Allerdings ist dann immer noch unklar ob JUDAS ISKARIOT auch zur zelotischen Widerstandsbewegung zählte.

a) Kann es überdies sein, dass Jesus die Zeloten gemieden hat, weil sie seinem Ruf schadeten ?!
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#8
Zunaechst einmal vorweg: Ueber das hinaus, was in den Evangelien berichtet wird, ist nichts ueber Jesus bekannt. Alle Mutmaßungen darueber, was Jesus gedacht haben koennte, bleiben notwendigerweise immer spekulativ.

(13-04-2016, 12:24)Kreutzberg schrieb: a) War Jesu denn bewußt dass einige Gruppierungen eine blutige Revolution anstrebten und somit die Römer vertreiben wollten ? Davon ist doch wohl auszugehen.
Ja sicher. Der Zelotenanfuehrer Judas der Galiläer wurde ja zwischen 6 und 9 nach Christus erstmals auffaellig, und seine Soehne, Simon und Jakobus, wurden 46-48 n.Chr. gekreuzigt. Das heisst, die Taetigkeit der zelotischen Attentaeter (mit den Sikariern als besonders radikaler Arm) umspannen das ganze Leben Jesu, von der Kindheit bis zum Tode.

(13-04-2016, 12:24)Kreutzberg schrieb: Die mir bekannten Ausführungen zeigen ja dann doch eher ein Nichtverhältnis von Jesus zu den Zeloten. Allerdings ist dann immer noch unklar ob JUDAS ISKARIOT auch zur zelotischen Widerstandsbewegung zählte.

a) Kann es überdies sein, dass Jesus die Zeloten gemieden hat, weil sie seinem Ruf schadeten ?!

Die Kirche hat das immer als Nichtverhaeltnis interpretiert, z.B. den Juenger Simon Zelotes einfach als "Eiferer fuer die Religion" uminterpretiert. Dabei war zu der Zeit, um die es hier geht, ziemlich eindeutig klar, was "Zelot" bedeutet. Vor allem, dass wir beide Namen finden, Simon Zelotes und Judas Iskariot, macht umso wahrscheinlicher, dass diese etwas mit der Aufstandsbewegung zu tun haetten.

Ich wuerde auch die innere Logik der Evangelien anfuehren wollen. Das Markus-Evangelium z.B. macht es die ganze Zeit sehr klar, dass die Juenger ueberhaupt keine Ahnung haben, was fuer ein Ziel Jesus eigentlich hat. Du hast die dreifache Ankuendigung Jesu bezueglich seines Todes, und jedesmal stellen sich die Juenger dagegen. Petrus wird mit Satan gleichgesetzt, die Soehne des Zebedaeus haben falsche Vorstellungen darueber, welchem Reich Jesus vorstehen wird (Mk10):

"35 Da traten Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst. 36 Er antwortete: Was soll ich für euch tun? 37 Sie sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen.5 38 Jesus erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet."

Das klingt alles danach, als wuerden die Juenger erwarten, dass Jesus einen weltlichen Herrscher-Titel anstrebt, also ein Fuehrer des Aufstandes ist. Der Einzug nach Jerusalem ist ein weiterer Hinweis.* Als klar wird, dass daraus nichts wird, verlassen alle Juenger Jesus. Und trotzdem wird Jesus als "Koenig der Juden", als Aufstaendischer also, hingerichtet.

Zumindest bei Markus ist Jesus ein tragischer Held. Die ganze Umgebung um ihn herum will den gewaltsamen Umsturz, nur er selbst hat ein anderes Ziel; das so gut wie niemand erkennt. Und doch wird er dann fuer ein Ziel hingerichtet, das dem Text nach nicht seins war.


*Der Anfuehrer einer der Zeloten-Fraktionen im Juedischen Krieg, Simeon bar Giora, hatte uebrigens einen aehnlichen Einzug in Jerusalem waehrend des Krieges.
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