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Ein Gehängter ist von Gott verflucht. 5 Mo 21:22-23
#1
Ein Gehängter ist von G-tt verflucht.  5 Mo 21:22-23
Ich verstehe diese Thoraaussage nicht.

Gedankenexperiment:
Unlängst in Jerusalem hatte ich eine interessante Diskussion

Wüstensteppe. Zwei Palästinenser lauern bis der Komplize aus 3 km Entfernung funkt, daß ein Auto mit einem Rabbi kommt. Der andere Komplize in 10 km der Gegenrichtung antwortet auf Anfrage, daß niemand unterwegs ist. Die Luft ist rein. Jetzt fingieren die zwei einen Autounfall und erzeugen zwei Autowracks und legen eine Schaufensterpuppe in Rabbinergewand mit dem Gesicht nach unten auf die Straße.
Der Wagen des Rabbi hält an.
Den Fahrer erschießen sie, den Rabbi hängen sie

Ist er von Jahwe verflucht ?

Falls ja, dürfen dann seine Kinder und Enkel nicht zu seinem Begräbnis gehen ?

Ich würde nach meinem Rechtsempfinden sagen, er wäre NICHT verflucht.
Aber was zählt in der Auslegung der Thora MEIN Rechtsempfinden ?

Frage: Gibt es ein Traktat im Talmud, das sich mit der Frage von SCHULDLOS Gehängten beschäftigt ?
Gibt es laut Talmud überhaupt SCHULDLOS Gehängte ?
Oder ist das alles G-ttes wohlverdiente Strafe für irgend ein schweres sexuelles Vergehen in der Jugend ?

Aber dann können Palästinenser einen Juden nicht nur umbringen (schlimm genug), sondern ihm durch das HÄNGEN die Ehre rauben.

Oder Lösegeld in astronomischer Höhe fordern, oder Gefangenenaustausch im Verhältnis 1 zu 100

Ist JEDER GEHÄNGTE von G-tt verflucht ?
Hängt der Fluch AUTOMATISCH an der Todesart des Hängens ?

Da würden ja die Palästinenser dem Jahwe ihren Willen aufzwingen. Ihn wie einen abgerichteten Hund auf die Seele des Ermordeten hetzen.
Oder ist es aus talmudischer Sicht IM GEGENTEIL so, daß die Mörder die Werkzeuge Jahwes sind, um einen jüdischen Frevler schwer zu bestrafen ?
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#2
Lieber Sinai,

soweit ich das verstanden habe, geht es nicht um die Todesart, sondern um das Erhängen als schlimmste aller Strafen, die das jüdische Gesetz selbst vorsieht. Wenn also ein jüdisches Gericht einen Juden zum Tod durch Erhängen erurteilt, dann ist das das schlimmst-vorstellbare und nur den schändlichsten aller Verbrechen vorbehalten - namentlich der Gotteslästerung. Man muss aber auch dazusagen, dass "erhängen" zwar richtiger aus dem Hebräischen übersetzt ist, in den meisten Bibelübersetzungen aber - sicher nicht ganz unabsichtlich - "am Holz hängen" steht, was man z.B. auch auf ein Kreuz beziehen könnte.

Und in diesem Sinne argumentiert Paulus dann im neuen Testament für die Aufhebung des Gesetzes, weil nach der Logik die Juden Gott selbst zum Tode verurteilt und haben und Gott sich aus der Willkür der Menschen heraus hätte selbst verfluchen müssen. Das funktioniert dann bei Paulus nach dem Prinzip der Annihilation: 1+(-1)=0

Kurz und bündig: Kein Jude glaubt, dass jeder mit einem Strick um den Hals verflucht ist, weil dann am Ende Gott eine Marionette des Menschen wäre. Damit wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet.
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#3
(26-09-2016, 09:03)Sören schrieb: Lieber Sinai,


Kurz und bündig: Kein Jude glaubt, dass jeder mit einem Strick um den Hals verflucht ist, weil dann am Ende Gott eine Marionette des Menschen wäre. Damit wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet.


Da hast Du recht.  Aber im Falle der Prädestination ist eben der Mensch eine Marionette Gottes
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#4
(26-09-2016, 09:03)Sören schrieb: Kurz und bündig: Kein Jude glaubt, dass jeder mit einem Strick um den Hals verflucht ist, weil dann am Ende Gott eine Marionette des Menschen wäre. Damit wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Deuteronomium 21,22-23 kann unterschiedlich interpretiert werden. Der "Fluch Gottes" wird in der Septuaginta als Gottes Verfluchung des Toten verstanden (genetivus subiectivus), während die Rabbiner ihn als Verfluchung Gottes durch den Erhängten interpretieren (genitivus obiectivus). Paulus hat die Formel gemäß der Septuaginta gedeutet.

(26-09-2016, 09:03)Sören schrieb: Und in diesem Sinne argumentiert Paulus dann im neuen Testament für die Aufhebung des Gesetzes, weil nach der Logik die Juden Gott selbst zum Tode verurteilt und haben und Gott sich aus der Willkür der Menschen heraus hätte selbst verfluchen müssen. Das funktioniert dann bei Paulus nach dem Prinzip der Annihilation: 1+(-1)=0

Laut Galater 3,13-14 hat Jesus den Fluch stellvertretend für alle auf sich genommen und damit sozusagen für alle Zeiten absorbiert.

13 Christus hat uns von dem Fluch losgekauft, unter den uns das Gesetz gestellt hatte. Denn er hat an unserer Stelle den Fluch auf sich genommen. Es heißt ja in den Heiligen Schriften: »Wer am Holz hängt, ist von Gott verflucht.«

14 So sollte durch Jesus Christus der Segen, der Abraham zugesagt wurde, zu allen Völkern6 kommen, damit wir alle durch vertrauenden Glauben den Geist erhalten, den Gott versprochen hat.
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#5
(30-09-2016, 19:53)Tarkesh schrieb: Deuteronomium 21,22-23 kann unterschiedlich interpretiert werden. Der "Fluch Gottes" wird in der Septuaginta als Gottes Verfluchung des Toten verstanden (genetivus subiectivus), während die Rabbiner ihn als Verfluchung Gottes durch den Erhängten interpretieren (genitivus obiectivus)

(26-09-2016, 09:03)Sören schrieb: Und in diesem Sinne argumentiert Paulus dann im neuen Testament für die Aufhebung des Gesetzes, weil nach der Logik die Juden Gott selbst zum Tode verurteilt und haben und Gott sich aus der Willkür der Menschen heraus hätte selbst verfluchen müssen. Das funktioniert dann bei Paulus nach dem Prinzip der Annihilation: 1+(-1)=0

Laut Galater 3,13-14 hat Jesus den Fluch stellvertretend für alle auf sich genommen und damit sozusagen für alle Zeiten absorbiert.


Hallo Tarkesh - Das ist ja wirklich ungeheuer interessant !!
Gibt es da eine Talmudstelle, die das mit der Interpretation durch das rabbinische Judentum aufzeigt ?


Hallo Sören - Auch die Spur Richtung Christentum (Aufhebung des Gesetzes) ist interessant, aber zu dieser Thematik wäre es zwecks späterer leichterer Auffindbarkeit geraten, einen Thread im Bereich Christentum zu beginnen.
Obwohl diese urchristliche Diskussion zweifelsfrei thematisch auch in den Bereich Judentum paßt, da damals eben die Auseinanderstzung im heißumkämpften Dreieck  Rabbiner - Sadduzäer - Jesussekte stattfand.

Rabbiner - als Vertreter der Pharisäerpartei mit der Mehrheit der Volksmassen hinter sich
Sadduzäer - als Vertreter der formal herrschenden Hohepriesterpartei.  Stellung des Hohepriesters und Vorsitz im Sanhedrin
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#6
Hat die Spielkarte "Der Gehängte" im Tarock was mit Jesus Nazoraios zu tun?
Der berühmte Kabbalist Giovanni Pico della Mirandola (* 1463 in der Stadt Mirandola; damals Österreich, heute Italien) spielte gerne dieses Spiel, das in dieser Zeit in seiner Region entstand . . .
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#7
(11-06-2016, 19:53)Sinai schrieb: Ein Gehängter ist von G-tt verflucht.  5 Mo 21:22-23
Ich verstehe diese Thoraaussage nicht.


Ist er von Jahwe verflucht ?


Oder Lösegeld in astronomischer Höhe fordern, oder Gefangenenaustausch im Verhältnis 1 zu 100

Ist JEDER GEHÄNGTE von G-tt verflucht ?
Hängt der Fluch AUTOMATISCH an der Todesart des Hängens ?

Hallo Sinai,

... was sich antike Stämme des Orients (meistens Wanderhirten...) so alles über den Begriff "Gott" ausdachten, machte Jesaja mit seinen von "Gott" eingegebenen Worten völlig bedeutungslos:

"Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken / und eure Wege sind nicht meine Wege - / Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, / so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege / und meine Gedanken über eure Gedanken."

Was also soll das Rätselraten über den Fluch eines Gehängten? Schließlich sind alle durch Rechtsvorschriften verhängten Strafen ein vernünftiger Versuch, ein Bollwerk gegen menschliche Verbrechen aufzurichten. Ohne Strafen wäre nämlich in keiner Gesellschaft ein ordentliches Zusammenleben möglich.
"Gott" aber hat mit den Justiz-Urteilen und ihrem Vollzug wohl nichts zu tun.
Wir Menschen kümmern uns ja auch nicht um die beachtlich strengen Regeln des Zusammenlebens von einzelnen Tier-Arten! Icon_rolleyes 

Gruß von Reklov
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#8
(11-08-2022, 14:10)Reklov schrieb: Schließlich sind alle durch Rechtsvorschriften verhängten Strafen ein vernünftiger Versuch, ein Bollwerk gegen menschliche Verbrechen aufzurichten. Ohne Strafen wäre nämlich in keiner Gesellschaft ein ordentliches Zusammenleben möglich.


Das ist mir ja völlig klar. Strafe muß sein und bei schweren Verbrechen die Todesstrafe
Mir geht es um ganz was anderes: nämlich den merkwürdigen Umstand, daß Moses pro futuro jeden Gehängten verflucht

Ohne zu fragen, WER ihn gehängt hat: der Sanhedrin, der jüdische König, der Hohepriester, ein Räuberhauptmann, ein Römer, er selbst ?

Wenn das Verenden durch Schlinge um den Hals automatisch zur Verfluchung führt, ist das krasses Unrecht
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#9
(11-08-2022, 23:22)Sinai schrieb:
(11-08-2022, 14:10)Reklov schrieb: Schließlich sind alle durch Rechtsvorschriften verhängten Strafen ein vernünftiger Versuch, ein Bollwerk gegen menschliche Verbrechen aufzurichten. Ohne Strafen wäre nämlich in keiner Gesellschaft ein ordentliches Zusammenleben möglich.


Das ist mir ja völlig klar. Strafe muß sein und bei schweren Verbrechen die Todesstrafe
Mir geht es um ganz was anderes: nämlich den merkwürdigen Umstand, daß Moses pro futuro jeden Gehängten verflucht

Ohne zu fragen, WER ihn gehängt hat: der Sanhedrin, der jüdische König, der Hohepriester, ein Räuberhauptmann, ein Römer, er selbst ?

Wenn das Verenden durch Schlinge um den Hals automatisch zur Verfluchung führt, ist das krasses Unrecht

Hallo Sinai,

... soweit mir bekannt, ist Moses keine historisch einwandfrei zu belegende Person. (?)

Er selbst hat ja Unrecht auf sich geladen, als er, laut Bibel, im Zorn einen Ägypter erschlug. Icon_rolleyes

>> Immerhin gilt heutzutage unter Altertumswissenschaftlern als ausgemacht, dass der Religionsstifter und Sinai-Wundertäter nie existiert hat – zumindest nicht in der Gestalt, in welcher die Bibel ihn präsentiert. Anderthalb Jahrhunderte haben Archäologen den ägyptischen Wüstensand durchsiebt und nicht die geringste Spur eines israelischen Stammes gefunden; ebenso erfolglos verlief die Suche nach Indizien für die vermeintliche Landnahme der Israeliten unter Moses-Nachfolger Josua. << (FOCUS online)

Gruß von Reklov
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#10
(11-08-2022, 09:46)Sinai schrieb: Hat die Spielkarte "Der Gehängte" im Tarock was mit Jesus Nazoraios zu tun?

Du meinst wohl Jesus von Nazareth? Der Kopf des Gehängten wird im Tarot von Rider/Waite mit einem Strahlenkranz umhüllt. Manchmal, wenn die Karte gezogen wird, will sie dazu anregen, seine Meinungen einmal auf den Kopf zu stellen. Sie braucht auch nicht äußerlich gezogen zu werden, es reicht, wenn sie in den Gedanken häufiger auftaucht. Offenbar empfiehlt der Gehängte hier, heiß geliebte Ansichten über Jesus zu ihrer Überprüfung auf den Kopf zu stellen.
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#11
(13-08-2022, 12:48)Rosenzweig schrieb:
(11-08-2022, 09:46)Sinai schrieb: Hat die Spielkarte "Der Gehängte" im Tarock was mit Jesus Nazoraios zu tun?

Du meinst wohl Jesus von Nazareth?

Hierbei geht's darum, dass der Zusatz "Nazoraios" (oder die anderen Varianten davon in den Evangelien) wahrscheinlich nichts mit dem Ort Nazareth zu tun hat. Die gaengigsten Thesen zur Bedeutung sind der Bezug auf "netser" (die "Wurzel" aus Jesaja) oder dass Jesus als Nasiräer galt. Ich halte letztere Erklaerung fuer die wahrscheinlichere. Das wuerde z.B. erklaeren, warum Jesus vor den Mitgekreuzigten sterben musste.

Aber zum Thema: Hier kommt eine alte Rechtsvorstellung zum Tragen, wie sie im juedischen Gesetz festgehalten ist. Jesus war fuer glaeubige Juden automatisch von Gott verflucht, weil er am Kreuz gestorben war. Wer gekreuzigt wird, hat das verdient, da Gott immer gerecht ist. Paulus erwaehnt, dass diese Schande, der Jesus unterworfen war, die Mission unter Juden erheblich erschwerte.
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#12
(13-08-2022, 14:45)Ulan schrieb:
(13-08-2022, 12:48)Rosenzweig schrieb:
(11-08-2022, 09:46)Sinai schrieb: . . . Jesus Nazoraios . . . 

Du meinst wohl Jesus von Nazareth?

Hierbei geht's darum, dass der Zusatz "Nazoraios" (oder die anderen Varianten davon in den Evangelien) wahrscheinlich nichts mit dem Ort Nazareth zu tun hat.

Genau!


(13-08-2022, 14:45)Ulan schrieb: Die gaengigsten Thesen zur Bedeutung sind der Bezug auf "netser" (die "Wurzel" aus Jesaja) oder dass Jesus als Nasiräer galt. Ich halte letztere Erklaerung fuer die wahrscheinlichere.

Das mit Nasiräer ist stimmig. 
Deutsch Nasiräer, Griechisch Nazoraios
Und nicht Nazaretaios !


(13-08-2022, 14:45)Ulan schrieb: Aber zum Thema: Hier kommt eine alte Rechtsvorstellung zum Tragen, wie sie im juedischen Gesetz festgehalten ist. Jesus war fuer glaeubige Juden automatisch von Gott verflucht, weil er am Kreuz gestorben war. Wer gekreuzigt wird, hat das verdient, da Gott immer gerecht ist. Paulus erwaehnt, dass diese Schande, der Jesus unterworfen war, die Mission unter Juden erheblich erschwerte.

Ja, das stimmt ebenfalls.
Und der Umstand, dass der feige Petrus den Herrn drei Mal verleugnete, machte die Mission unter den Sachsen so schwierig
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