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Historischer Jesus - Gefährdung oder Bereicherung?
#1
Question 
Der historische Jesus als konkreter Mensch mit Gefühlen, einer Familie, als Wanderprediger so wie es viele gab in seiner Zeit. 

Jesus also als Mensch betrachtet, nicht als Wundertäter und Sohn Gottes.

Stellt dieser historische Jesus eine Gefahr  für die Kirche  dar, oder ist er eine Bereicherung, da zum Beispiel unterstützt wird, dass Jesus einmal lebte?
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#2
Wenn man mal in einen Buchladen oder im Internet nachschaut, was es so fuer Buecher ueber das Christentum gibt, so sind Buecher ueber Jesus immer ganz vorne auf dem Bestseller-Listen. Daraus entnehme ich, dass es ein starkes Beduerfnis gibt, mehr ueber die Person Jesu zu erfahren, als es die Kirche oder die Bibel vermittelt.

Es gibt zwar durchaus auch Diskussionen der Art, ob Jesus nun tatsaechlich existierte oder nicht; diese machen aber nur einen verschwindend kleinen Teil der Literatur aus. Es gibt eine Art Minimal-Konsens unter Neutestamentlern, was an Jesus historisch ist. Das laesst sich so zusammenfassen: Jesus wurde durch Johannes den Taeufer getauft, debattierte waerhend einer ein- bis dreijaehrigen Periode mit juedischen Autoritaeten ueber Gott, sammelte Anhaenger und wurde schliesslich unter dem roemischen Praefekten Pontius Pilatus, der von 26-36 n.Chr. im Amt war, gekreuzigt.

Zwar werden auch diese Aspekte von einigen Forschern angezweifelt, aber dies ist so der allgemeine Rahmen, in dem sich die ueberwiegende Mehrzahl der Neutestmentler bewegen. Ueber alles Uebrige gibt's viele Debatten, was daran historisch sein koennte und was nicht. Trotzdem gibt es diese vielzaehligen Buecher ueber Jesus, die jedes eine neue Sicht auf die Figur werfen. Man muss sich aber nichts vormachen: hier reden die Autoren ueber ihren Glauben, also oft genug, wie ihre Idealvorstellung der Figur Jesu aussieht.

Das zeigt dann letztlich auch Sinn und Zweck dieser Literatur: im Prinzip werden damit die Kreise der Glaeubigen erreicht, die sich mit einem simplen Wunderglauben schwer tun, aber trotzdem die grundsaetzliche Botschaft des Neuen Testaments, und hier insbesondere die der Evangelien, gut finden. Insofern ist die Auseinandersetzung mit dieser Figur dann doch oft ein Weg, zu einem persoenlichen Glauben zu finden.

Wenn man also all die Jesus-Buecher als Zweig christlicher Erbauungsliteratur begreift, liegt man meiner Meinung nach nicht falsch.
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#3
(14-06-2016, 17:22)Fallen schrieb: Stellt dieser historische Jesus eine Gefahr  für die Kirche  dar, oder ist er eine Bereicherung, da zum Beispiel unterstützt wird, dass Jesus einmal lebte?

Heutzutage orientiert man mehr an den Handlungen Jesu, da seine Aussagen nicht gesichert sind.

Mir erschließt sich Deine Fragestellung nicht.

Für die Kirche zählt der wiederauferstandene Christus, den die frühen Christen verkündeten. Genaugenommen spielt der historische Jesus und seine Aussagen für den christlichen Glauben überhaupt keine Rolle. Viel wichtiger ist für den Glauben, was Menschen in Jesus sehen. Was sie in ihm sehen, wird durch das tradierte Bild gezeichnet. Von diesem Bild wiederum wird rückgeschlossen, wie der Vater beschaffen sei. Alles in allem entsteht daraus eine trinitarische Fiktion. Eine Gefahr gibt es für die Kirche nicht. Die Leute glauben, was die Kirche ihnen vorsetzt und kommen ins Himmelreich. Da es oben wahrscheinlich keine Sachkundeprüfung gibt, ist das alles easy :D
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#4
(14-06-2016, 20:02)Reisender schrieb: Eine Gefahr gibt es für die Kirche nicht. Die Leute glauben, was die Kirche ihnen vorsetzt und kommen ins Himmelreich

Das mag stimmen für sehr viele Gläubige. Jedoch gibt es ja durchaus Leute die sich mit dem historischen Jesus beschäftigen und dadurch beispielsweise Jesus als "simplen" Mensch ansehen und nicht mehr als Wundertäter. 

Je mehr "Tatsachen" von Wissenschaftlern gefunden werden, desto weniger lässt sich der historische Jesus mit dem Jesus Christus vereinen.
Sowieso gilt doch in der heutigen Zeit die Wissenschaft als die Quelle der Wahrheit.
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#5
(14-06-2016, 20:41)Fallen schrieb: Das mag stimmen für sehr viele Gläubige. Jedoch gibt es ja durchaus Leute die sich mit dem historischen Jesus beschäftigen und dadurch beispielsweise Jesus als "simplen" Mensch ansehen und nicht mehr als Wundertäter.

Ich glaube nicht, dass Buecher ueber den historischen Jesus zu dieser Einstellungsaenderung in irgendwelcher Weise beitragen. Es ist nur halt so, dass sehr viele Menschen sowieso nicht mehr an Wunder glauben. Wenn sie dann immer noch etwas in Jesus zu finden versuchen, sollte ein Christ das doch eigentlich begruessen? 

(14-06-2016, 20:41)Fallen schrieb: Je mehr "Tatsachen" von Wissenschaftlern gefunden werden, desto weniger lässt sich der historische Jesus mit dem Jesus Christus vereinen.
Sowieso gilt doch in der heutigen Zeit die Wissenschaft als die Quelle der Wahrheit.

Da kann ich Dich beruhigen: Ausserhalb der Bibel findet man so gut wie nichts von oder ueber Jesus. Es gibt zwei Erwaehnungen bei Josephus, von denen eine sehr suspekt ist (wahrscheinlich eine christliche Einfuegung) und die andere seinen Bruder betrifft. Dann gibt's noch eine Handvoll Erwaehnungen sonstwo, wie bei Tacitus, aber die belegen eigentlich nur, dass es Christen gab, was ja eh keiner bezweifelt.

Da da also nichts Historisches zu finden ist, musst Du Dir keine Gedanken dazu machen. Wo nichts ist, kann es das biblische Bild auch nicht aendern.
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#6
(14-06-2016, 18:03)Ulan schrieb: Das laesst sich so zusammenfassen: Jesus wurde durch Johannes den Taeufer getauft, debattierte waerhend einer ein- bis dreijaehrigen Periode mit juedischen Autoritaeten ueber Gott, sammelte Anhaenger und wurde schliesslich unter dem roemischen Praefekten Pontius Pilatus, der von 26-36 n.Chr. im Amt war, gekreuzigt.


Richtig ist:
Jesus wurde gegen den Willen des roemischen Praefekten Pontius Pilatus gekreuzigt.
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#7
(14-06-2016, 20:02)Reisender schrieb: Was sie in ihm sehen, wird durch das tradierte Bild gezeichnet.

Das tradierte jüdische Bild, oder das tradierte christliche Bild
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#8
(14-06-2016, 20:41)Fallen schrieb: Jedoch gibt es ja durchaus Leute die sich mit dem historischen Jesus beschäftigen und dadurch beispielsweise Jesus als "simplen" Mensch ansehen und nicht mehr als Wundertäter. 

Die sind nach aktuell gültiger Auffassung dann keine Christen mehr.
Unter evangelischen Theologen findet man übrigens häufig Menschen, die sich intensiver damit befassen. Irgendwann sind die aber alle ausgetreten. Das Grundproblem ist wohl: je mehr man Jesus im jüdischen Kontext seiner Zeitgeschichte reflektiert, desto absurder wird das, was dann als Kirche entstanden ist.
Es gibt ja noch nicht einmal einen vernünftigen Grund für eine Missionierung.
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#9
(15-06-2016, 00:01)Sinai schrieb:
(14-06-2016, 20:02)Reisender schrieb: Was sie in ihm sehen, wird durch das tradierte Bild gezeichnet.

Das tradierte jüdische Bild, oder das tradierte christliche Bild

Das christliche. Im Judentum wird m.W. zu Jesus nichts weiter tradiert. Höchstens bei den messianischen Juden, aber die werden gemeinhin den Evangelikalen zugeordnet.
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#10
(15-06-2016, 00:07)Reisender schrieb: Es gibt ja noch nicht einmal einen vernünftigen Grund für eine Missionierung.

Weltherrschaft ?
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#11
(15-06-2016, 00:09)Reisender schrieb:
(15-06-2016, 00:01)Sinai schrieb:
(14-06-2016, 20:02)Reisender schrieb: Was sie in ihm sehen, wird durch das tradierte Bild gezeichnet.

Das tradierte jüdische Bild, oder das tradierte christliche Bild

Das christliche. Im Judentum wird m.W. zu Jesus nichts weiter tradiert.

Dann lies mal den Talmud  . . .
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#12
(14-06-2016, 23:57)Sinai schrieb: Richtig ist:
Jesus wurde gegen den Willen des roemischen Praefekten Pontius Pilatus gekreuzigt.

Meine Zusammenfassung war korrekt formuliert. Pontius Pilatus war die einzige Person mit Entscheidungsberechtigung ueber diese Form der Gerichtsbarkeit, also ist er formal verantwortlich. Dass die Evangelien das jeweils etwas anders spinnen, hat wohl eher den Grund, dass sie eine bestimmte Aussage ueber die Verantwortung des juedischen Volkes selbst fuer eine widerfahrene Unbill aufzeigen moechte, in guter alttestamentlicher Prophetenmanier. Jedenfalls wird das "gegen den Willen des Praefekten" im allgemeinen als unhistorisch gesehen.
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#13
(15-06-2016, 00:07)Reisender schrieb:
(14-06-2016, 20:41)Fallen schrieb: Jedoch gibt es ja durchaus Leute die sich mit dem historischen Jesus beschäftigen und dadurch beispielsweise Jesus als "simplen" Mensch ansehen und nicht mehr als Wundertäter. 

Die sind nach aktuell gültiger Auffassung dann keine Christen mehr.

Und doch wuerde so eine Haltung sehr vielen Christen ihr Christsein absprechen. Ist Ekkard fuer Dich kein Christ (wobei er seine Haltung gerne noch einmal praezisieren kann)? Der persoenliche, menschliche Glaube ist irgendwo auf einem Kontinuum angesiedelt, und ich bin mir sicher, dass es die christliche Soziallehre ist und nicht Glaube an Wundertaten, die viele Christen in der westlichen Welt heutzutage bei der Stange haelt.
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#14
(15-06-2016, 06:50)Ulan schrieb: Und doch wuerde so eine Haltung sehr vielen Christen ihr Christsein absprechen. Ist Ekkard fuer Dich kein Christ (wobei er seine Haltung gerne noch einmal praezisieren kann)? 

Über die Zuordnungen anderer Menschen mache ich mir keine Gedanken, weil es nur Etikette sind. Es stellt sich doch aber die Frage, über welche Zahlen wir hier sprechen. Es macht für eine Diskussion doch schon Sinn, von der allgemeinen Definition einer Sache auszugehen, sonst können wir nicht mehr diskutieren. Alles wäre Patchwork.

Zitat:Der persoenliche, menschliche Glaube ist irgendwo auf einem Kontinuum angesiedelt, und ich bin mir sicher, dass es die christliche Soziallehre ist und nicht Glaube an Wundertaten, die viele Christen in der westlichen Welt heutzutage bei der Stange haelt.


Die meisten Christen sind Christen, weil sie so erzogen wurden.
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#15
(15-06-2016, 07:54)Reisender schrieb: Über die Zuordnungen anderer Menschen mache ich mir keine Gedanken, weil es nur Etikette sind. Es stellt sich doch aber die Frage, über welche Zahlen wir hier sprechen. Es macht für eine Diskussion doch schon Sinn, von der allgemeinen Definition einer Sache auszugehen, sonst können wir nicht mehr diskutieren. Alles wäre Patchwork.

Mein Kommentar war eher an Sinai gerichtet. Nur, was ist hier die "allgemeine Definition"? Das apostolische Glaubensbekenntnis? Wohl kaum. Selbst unter Glaeubigen ist das mit der unbefleckten Empfaengnis ein wenig aus der Mode gekommen. Ich wuerde den Kern etwa da sehen, wo es darum geht, dass Jesus Christus auf die Welt gekommen ist, um die Menschheit zu erloesen. Beim Rest trifft man doch eine recht unuebersichtliche Gemengelage (also ja: ueber Patchwork zu reden, laesst sich hier nicht vermeiden). Ich wuerde sogar soweit gehen, dass die meisten Christen fundamentale Glaubensaussagen ihrer Gemeinschaften gar nicht kennen; z.B. ist die Mehrheit der Katholiken anderer Auffassung als ihre Kirche darueber, was bei der Eucharistie passiert, und sind damit im Prinzip mit dem Anathema belegt. Sind sie deshalb keine Katholiken?

(15-06-2016, 07:54)Reisender schrieb: Die meisten Christen sind Christen, weil sie so erzogen wurden.

Richtig. Ich wuerde auch sagen, dass die meisten Christen Christen bleiben, weil ihr soziales Umfeld das erwartet (wenn man nicht gleich simple Traegheit ins Feld fuehren will). Wenn dieses soziale Umfeld aber neutral gegenueber der Kirchenzugehoerigkeit ist, muss man schon auf Sinnsuche gehen, falls man ueber diese Zugehoerigkeit anfaengt nachzugruebeln. Und in dem Zusammenhang sehe ich die Aussagen Jesu ueber das menschliche Miteinander im heutigen Umfeld als weitaus entscheidender als irgendwelche Wundergeschichten. Es sind wohl solche Menschen, die sich durch diese Hunderten von Buechern, die angeblich das Leben Christi rekonstruieren, angesprochen fuehlen.
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