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Ist Taiwan ein Teil Chinas?
#2
Du solltest Deinem ungebremsten Antiamerikanismus nicht freien Lauf lassen, dann kommt auch nicht so ein Unfall heraus. Taiwan ist nicht ein "sehr alter Teil Chinas". Die Chinesen haben Taiwan wohl schon frueh entdeckt, haben dort aber nicht gesiedelt. Hautzutage behauptete Kontakte sind groesstenteils unbelegt. Es gibt Hinweise, dass hin und wieder japanische und chinesische Piraten und Haendler die Insel besucht haben, das war's dann aber auch. Jedenfalls war die Insel, als die Portugiesen sie 1517 entdeckten, nicht chinesisch. 1624 besetzten die Hollaender den Suedwesten, 1625 die Spanier den Nordzipfel. Die Hollaender waren es, die die Einheimischen zum Christentum bekehrten. Die Hollaender waren es auch, die anfingen, Chinesen aus der Provinz Fujian als Arbeitskraefte nach Taiwan zu verschiffen. Das waren fast nur Maenner, die dann oft einheimische Frauen heirateten. Die Hollaender vertrieben die Spanier bald.

Als in China die Manschuren die Ming-Dynastie besiegten, floh ein Ming-General mit 35.000 Truppen nach Taiwan (die Geschichte wiederholt sich offensichtlich spaeter Icon_cheesygrin). Nach 9 Monaten Belagerung beendete er im Jahre 1662 die hollaendische Kolonialzeit, und die chinesische Oberhoheit begann. Der Ming-General wurde seinerseits 1682 von der manschurischen Quing-Dynastie erobert, und seit 1684 war Taiwan offiziell Teil der Provinz Fujian. Unter chinesischer Herrschaft begann dann eine aggressive Chinesisierungs-Politik der ansaessigen austronesischen Staemme im westlichen Tiefland, aber China hatte nie Souveraenitaet ueber das Bergland oder die Ostkueste.

Nachdem China den ersten japanisch-chinesischen Krieg verloren hatte, wurde Taiwan 1895 japanisch. Es blieb so fuer die naechsten 50 Jahre. Die Japaner fuehrten eine umfangreiches Modernisierungsprogramm durch, bauten Eisenbahnen und unterwarfen auch die Ostkueste. Der japanische Einfluss ist heute noch ueberall sichtbar. Es gibt Shinto-Schreine auf der Insel (ich habe sie oben nicht erwaehnt, da heute deren religioese Bedeutung nahe null ist), es gibt viele alte japanische Haeuser (ein Japaner, der einige alte japanische Bauweisen sehen will, muss heute nach Taiwan reisen), die Regierungsgebaeude, Theater, Buechereien etc. in den Staedten sind oft im japanischen Barockstil, etc. Zwar haben die Taiwanesen zum Teil fuer die Unabhaengigkeit von Japan gestritten, aber der japanische Einfluss ist immer noch ueberall in der taiwanesischen Gesellschaft sichtbar. Heutzutage ist das so eine Art Hassliebe. Japan musste Taiwan 1945 wieder an China abtreten.

Die Republik China mit ihrer herrschenden Partei Kuomintang ist die, die 1912 in Peking die Manschu-Dynastie stuerzte und die Republik ausrief. Die Kuomintang unter Sun Yat-sen war die einzige politische Partei Chinas und beherbergte die unterschiedlichsten politischen Richtungen. Sun Yat-sen war immer fuer einen Ausgleich mit den Kommunisten (er wollte eine Einheitsfront von Kommunisten und Kuomintang) und wird von beiden chinesischen Staaten als Gruender der Republik hoch verehrt. Er starb 1925. Als Chiang Kai-shek den Parteivorsitz der Kuomintang uebernahm, griff er ab 1927 die Kommunisten an, die von 1929-1934 ihren eigenen Staat in den Bergen gruendeten, die Chinesische Sowjetrepublik. Die Kuomintang-Regierung zerschlug diesen Staat, musste sich ab 1937 aber auf den Krieg gegen Japan konzentrieren.

Bei der ersten Wahl nach dem Krieg 1946 wurde Kuomintang nur zweitstaerkste Partei, aber die gewaehlte Regierung unter Einschluss von Sozialdemokraten und der Jungchina-Partei beschloss den Kampf gegen die kommunistische Rebellion. Den darauffolgenden Buergerkrieg verloren sie aber. 1949 flohen etwa 2 Millionen Kuomintang-Anhaenger (inklusive etwa 5000 buddhistischer Moenche) unter Chiang Kai-shek nach Taiwan. Dort blieb das letzte gewaehlte Parlament Chinas in Sitzung, nur Abgeordnete fuer Taiwan selbst durften gewaehlt werden, was de facto eine Diktatur bedeutete, die bis 1987 anhielt.

Die Probleme Taiwans, die durch Chaing Kai-sheks Starrsinn in den ersten Nachkriegsjahrzehnten verursacht wurden (er lehnte es ab, den UN-Sicherheitsratssitz mit der Volksrepublik zu teilen; er trat einseitig aus der UNO aus), sind nun mal leider Fakt. Trotzdem (oder gerade deshalb) sehen es sehr viele Taiwanesen als Beleidigung an, wenn man sie Chinesen nennt; und dies obwohl der Staat immer noch "Republik China" heisst. Also, da ist weder amerikanischer Imperialismus noch irgendeine voelkerrechtswidrige Tat beteiligt, da dies immer noch die letzte gewaehlte chinesische Regierung war, die sich in die damals modernste Provinz Chinas zurueckzog.

Das hat jetzt aber alles nicht viel mit Religion zu tun. Eine restriktive Religionspolitik gab es lange Zeit in beiden Chinas. Die relative Lockerung der Religionsbestimmungen in der Volksrepublik in letzter Zeit beruhen aber wohl auch auf den positiven Erfahrungen, die Taiwan mit der Religions-Liberalisierung gemacht hat.
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Ist Taiwan ein Teil Chinas? - von Sinai - 06-04-2017, 12:01
RE: Ist Taiwan ein Teil Chinas? - von Mellnau - 26-09-2017, 20:59
RE: Religion in Taiwan - von Ulan - 06-04-2017, 15:57
RE: Religion in Taiwan - von Sinai - 07-04-2017, 00:55
RE: Religion in Taiwan - von Ulan - 07-04-2017, 08:36
RE: Religion in Taiwan - von Sinai - 07-04-2017, 10:22
RE: Religion in Taiwan - von Ulan - 07-04-2017, 13:52

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