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Ernährung und Medizin im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
#2
(01-12-2017, 07:41)Ulan schrieb: Gerade bei Obst muss man dazu sagen, dass die Leute frueher so gut wie nie welches assen, weil es das ja jeweils nur fuer sehr kurze Zeit im Jahr gab. Wenn der Verdauungstrakt ueberhaupt nicht gewohnt ist, rohes Obst zu verarbeiten, und man dann ploetzlich wegen des momentanen Ueberangebots zu viel davon isst, wird das wohl in Bauchschmerzen und Durchfall enden. Zudem war selbst lagerfaehiges Obst (da fallen mir eigentlich nur Aepfel ein) im Mittelalter sehr teuer, wie man von aus dem Berliner Raum erhaltenen Preislisten weiss, viel teurer als Fleisch. Die Leute damals hatten also selbst in guten Zeiten (in der Zeit vor den Pestepidemien war der Lebensstandard in unserer Gegend so hoch wie bis zum 20. Jhdt. nicht mehr) nur wenig Kontakt mit Obst.

Erdbeeren und Heidelbeeren hatten wir ja schon angesprochen. Die waren am Boden Kontakt mit allerlei Fremdstoffen ausgesetzt. Waschen mit sauberem Wasser, wie wir das heute koennen, war damals keine Selbstvestaendlichkeit. Die erwaehnten Krankheiten kamen wohl eher von dem, was dran hing, als dem Obst selbst.

Walderdbeeren und Heidelbeeren werden u.a. als Überträger des Fuchsbandwurmes denunziert. Die Infektionsfälle sind verschwindend gering, sodass die – vornehmlich von Waldbesitzern und der Jägerschaft - geschürte Angst kaum begründbar ist.

Die Heidelbeere kenne ich aus meiner Kindheit als Hausmittel. Meine Großmutter hatte uns Kinder bei Durchfallerkrankungen mit eingedickter Heidelbeermarmelade kuriert. Soweit ich mich erinnern kann, durchaus erfolgreich.

Die Standesvertretung der österreichischen Apotheker beschreibt Heilwirkungen der Heidelbeere und behauptet, diese seien schon Hildegard von Bingen bekannt gewesen:

Die Standesvertretung der österreichischen Apotheker schrieb:Die deutsche Bezeichnung der Heidelbeere hat ihren Ursprung wohl in "auf der Heide wachsende Beere". Im Mittelalter war die Äbtissin Hildegard von Bingen die Erste, die die Heilwirkung der Heidelbeere beschrieb. Neben ihrer Bedeutung in der Phytotherapie werden Heidelbeeren für verschiedene köstliche Süßspeisen sowie technisch als Färbemittel verwendet.

*https://www.apotheker.or.at/Internet/OEAK/NewsPresse_1_0_0a.nsf/agentEmergency!OpenAgent&p=6147F6B6E033242DC1256ECA004E124F&fsn=fsStartHomeFachinfo&iif=0

Diese Behauptung hat bei mir Neugierde geweckt. So habe ich mich in den Textbeständen, soweit sie mir zugänglich sind, umgesehen. Das vorläufige Ergebnis: Hildegard hat die Heilwirkung der Heidelbeere nicht beschrieben. Im Gegenteil, sie behauptet, dass der Genuss der Heidelbeere Gicht verursache. Die behauptete gichtfördernde Wirkung hat sich bis heute allerdings nicht verifizieren lassen.

Hildegard schrieb:Das Kraut, an dem die Waldbeeren wachsen, die auch Heidelbeeren genannt werden, weil sie schwarz sind, enthält in sich die größte Kälte, wenn die Kälte schon etwas der Wärme weicht, so dass bereits aus Erde und Steinen die Feuchtigkeit der Kälte aufsteigt, wenn es taut: Die Kälte schadet mehr als sie nützt, und taugt nicht für Arzneien. Die Frucht schadet dem, der sie isst, indem sie in ihm die Gicht hervorruft.

Hildegard von Bingen. Physica: 1.172 Heidelbeerkraut
MfG B.
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RE: Ernährung und Medizin im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit - von Bion - 02-12-2017, 12:57

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