Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Ernährung und Medizin im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
#3
Die Walderdbeeren - andere gab es damals nicht, da die Gartenerdbeere von zwei amerikanischen Arten abstammt und die alpinen Arten noch spaeter in Nutzung kamen - wurde angeblich bereits im Mittelalter auf grossen Flaechen kultiviert, aber wahrscheinlich erst ab dem 14. Jhdt., wenn der Wikipedia-Eintrag stimmt (Urania Pflanzenreich sagt 15. Jhdt.), so dass das hier wohl nicht von Belang ist.

Meine Aussagen zum Lebensstandard und zur Preisstruktur (Obst als seltenes Luxusgut) basierten hauptsaechlich auf dem Buch "Edelmann... Bürger, Bauer, Bettelmann. Berlin im Mittelalter. Ullstein, Frankfurt am Main-Berlin-Wien 1981" des Mittelalterarchaeologen Adriaan von Müller. Darin stand auch die Aussage, dass Fleisch fuer einen nichtselbstaendigen Handwerker im 13. Jhdt. zur normalen Kost gehoerte. "Aus dem Vergleich [mit Verhaeltnissen um 1980] ergibt sich bei Beruecksichtigung aller Unsicherheitsfaktoren, dass das Verhaeltnis von Verdienst und Lebenshaltungskosten im 13. Jahrhundert jedenfalls etwa dem der heutigen Zeit entspricht."

(02-12-2017, 12:57)Bion schrieb: Walderdbeeren und Heidelbeeren werden u.a. als Überträger des Fuchsbandwurmes denunziert. Die Infektionsfälle sind verschwindend gering, sodass die – vornehmlich von Waldbesitzern und der Jägerschaft - geschürte Angst kaum begründbar ist.

Die Heidelbeere kenne ich aus meiner Kindheit als Hausmittel. Meine Großmutter hatte uns Kinder bei Durchfallerkrankungen mit eingedickter Heidelbeermarmelade kuriert. Soweit ich mich erinnern kann, durchaus erfolgreich.

Das passt aber schon irgendwie. Hildegard von Bingen verteufelte vor allem Rohkost. Gekocht oder mariniert war Obst fuer sie entweder akzeptabel oder sogar gut, und Marmelade ist ja gekocht. Damit sie Rohkost ueberhaupt vertragen, muessen viele Leute heutzutage ja auch erst einmal ihren Verdauungstrakt "trainieren". Ich habe, wie schon angedeutet, eine ganze Liste von Gemuesen, die ich roh nicht vertrage. Und wer hat nicht einmal zumindest als Kind zu viele Kirschen oder Zwetschgen gegessen, was in Bauchschmerzen endete.

Haltbarmachen ging wohl nur durch Doerren - "Einmachen" gab es noch nicht - wie bei Doerrzwetschken oder Rosinen heute noch. Dass Aepfel halbiert und gedoerrt wurden kennt man schon aus dem Neolithikum.


Eine weitere Moeglichkeit zur Einordnung der Aeusserungen Hildegards waere dieses Zitat (muesste man ueberpruefen, da kein Direktzitat):

„Die Verwendung der Früchte: Gut gereifte, süße Pflaumen und hartschalige Pfirsiche, die vollständig am Baum gereift sind, sowie Kirschen und verschiedene Arten von Früchten sind zuträglich, wenn sie am Baum gereift sind. Wenn sie aber unreif gepflückt und nach einigen Tagen weich geworden sind, betrachten wir das als Fäulnis und nicht als Reife. Wenn man nämlich davon ißt, entstehen faulige Säfte im Innern...“

– Lorscher Arzneibuch: Epistula Anthimi ad Theodoricum regem (Fol. 72r-74v)"

Das stammt angeblich von dem griechischen Arzt Anthimus, der dies um 500 n.Chr. fuer den fraenkischen Koenig Theudoricus (welcher da genau gemeint ist, ist nicht bekannt) in seinem Brief "De observatione ciborum" festhielt. Jedenfalls geht schon aus der Einleitung hervor, dass er nicht viel von rohen Speisen hielt:

"Welche Grundsätze Ew. Hoheit beachten sollen habe ich - so gut ich konnte - mich bemüht zu Eurem Nutzen allgemein darzustellen, indem ich den Vorschriften der ärztlichen Fachleute folgte. Die Gesundheit der Menschen beruht in erster Linie auf der Verträglichkeit der Speisen; das heißt, wenn man sie richtig zubereitet, werden sie gut im Körper verteilt. Werden sie aber nicht richtig gesotten, beschweren sie Magen und Unterleib; auch erzeugen sie dann unverdaute Säfte und verursachen Magengeschwüre und schweres Aufstoßen."

"Daher steigt auch der Dunst in den Kopf, es treten gewöhnlich schwere Schwindelanfälle auf oder es wird einem schwarz vor den Augen. Auch entstehen gerade wegen dieser mangelhaften Verdauung schwere Störungen im Unterleib oder zumindest Erbrechen durch den Mund herauf, wenn der Magen die rohen Speisen nicht verdauen kann. Sind die Speisen hingegen richtig zubereitet, erfolgt ihre Verteilung gut und angenehm und die guten Säfte werden dadurch vermehrt; hierauf beruht nämlich vor allem die Gesundheit. Wer in dieser Weise auf sich achtet, braucht sonst kein Heilmittel."

Volltext des Briefes in Latein: *http://www.accademiajr.it/bibvirt/anthimi.html
Lorscher Arzneibuch (um 795): *http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:22-dtl-0000003730
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
RE: Ernährung und Medizin im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit - von Ulan - 02-12-2017, 15:43

Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Tacitus und Sueton - im Mittelalter erfunden? Apollonios 23 7004 13-01-2022, 00:45
Letzter Beitrag: Ulan
  Krieg im Altertum und Mittelalter Sinai 21 6260 13-12-2021, 14:26
Letzter Beitrag: Bion
  Medizin im Altertum Bion 2 3276 30-03-2019, 01:19
Letzter Beitrag: Bion

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste