(04-12-2017, 15:34)Bion schrieb: Was die Ernährung der städtischen Bürgerschaft betrifft, wird das wohl so gewesen sein.
Die Historikerin Barbara Tuchman soll einmal bemerkt haben, dass jeder Behauptung über das Mittelalter mit einer entgegengesetzten widersprochen werden kann. Was die Ernährung der Bauernschaft im Hochmittelalter betrifft, finde ich das bestätigt.
Das Hochmittelalter war aber auch eine Umbruchzeit. Durch die guten Zeiten kam es im Spaetmittelalter dann zu enormen Bevoelkerungszuwaechsen, die Ernaehrungslage und auch die Ausbreitung von Krankheiten enorm verschlechterten. Die Daten aus dem Buch, das ich angesprochen hatte, waren ja auch aus einer Kolonialgegend der Zeit (Berlin), wohin die Leute mit dem Versprechen eines besseren Lebens gelockt wurde, was wohl zu Beginn durchaus stimmte.
Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, wo ich mal eine etwas allgemeinere Abhandlung zum Thema Ernaehrungsstand abhaengiger Bauern und "Landarbeiter" vom Hochmittelalter bis zum fruehen 20. Jhdt. etwas gelesen hatte. Zum Teil wurden dabei Knochenuntersuchungen von Verstorbenen zu Rate gezogen. Am Skelett kann man wohl ganz gut erkennen, ob die Leute zu Lebzeiten unter Mangelerscheinungen litten. Jedenfalls war das Ergebnis wohl, dass der allgemeine Gesundheitsstatus, von Infektionen mal abgesehen, im Hochmittelalter wohl sehr gut war. Selbst Leibeigene konnten sich zumindest so ernaehren, dass es nicht zu Mangelerscheinungen kam. Das wurde dann bis ins 18. Jhdt. immer schlechter. Gerade auch mit der Aufklaerung wurden landwirtschaftliche Betriebe durchrationalisiert, und abhaengige Bauern durften nur noch das billigste Produkt des Betriebs essen. Das war im allgemeinen Getreide und fuehrte zu Mangelerkrankungen. Mit der Verbreitung der Kartoffel aenderte sich das dann zum Besseren, da das zwar immer noch einseitige Ernaehrung war, aber die Kartoffel zumindest einige notwendige Vitamine (z.B. Vitamin C) lieferte. Jedenfalls kam der Text zu dem Ergebnis, dass die Ernaehrungslage des Hochmittelalters erst wieder Ende des 19. oder Anfang des 20. Jhdts. erreicht wurde.
Es waere natuerlich schoener, wenn ich mich an die Quelle erinnern wuerde.
Diese Quellen werden in einer Wiener Diplomarbeit von 2012 (online hier) erwaehnt:
Karl-Ernst Behre, Die Ernährung im Mittelalter. In: Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Wiesbaden 1996
Helmut Wurm, Körpergröße und Ernährung der Deutschen im Mittelalter. Bernd Herrmann, Mensch und Umwelt im Mittelalter, Wiesbaden 1996
Maike Vogt-Lüerssen, Der Alltag im Mittelalter, Mainz-Kostheim 2001
Da steht auch, dass die Unterschiede zwischen den Regionen sehr kleinteilig waren, weil Grundnahrungsmittel kaum gehandelt wurden.
Bei gehandelten Nahrungsmitteln fallen mir uebrigens die Faesser mit Salzheringen ein, die mehr oder weniger das oekonomische Rueckgrat einiger Hansestaedte am Meer bildeten, und die bis weit ins Landesinnere gehandelt wurden.