Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Eine Botschaft an junge Muslime in Europa
(09-12-2017, 01:12)Mustafa schrieb: Dahingehend kann ich die Aussage von sanctus/eod, dass Samad den Islam immer noch salafistisch denkt, gut nachvollziehen.

Der Islamkritiker verlangt nicht, den "Islam salafistisch denken zu müssen", sondern er verweist auf die Problematik, dass er eben auch salafistisch ausgelebt werden kann und wird. Und er verweist darauf, dass sich auch diese Leute auf den Koran berufen. Und welche Problematik sich aus der Unantasbarkeit von heiligen Büchern und dergleichen ergeben.

Du bringst immer wieder die gleiche Unterstellung (Islamkritiker würden nur die wortwörtliche, salafistische Auslegung akzeptieren), obwohl dir nun schon mehrfach das Gegenteil erklärt wurde. Aber derlei nimmst du ja gar nicht zur Kenntnisse, und kämpfst weiter gegen deine Strohmannargumente an.
Zitieren
Was sind die kritischen Punkte, wenn Schriften oder Personen als unantastbar und von Gott herrührend betrachtete werden?
Im Folgenden einige Punkte, wobei "die Setzung von Gott" ganz allgemein als Formulierung für Heiligsetzung von unantastbaren Dingen (Göttern, Führern, Propheten, Ideologien) mit absolutem Wahrheitsanspruch verstanden werden soll:

1. Die Setzung von Gott immunisiert gegen Kritik, da Gott für den Gläubigen als Wahrheit gilt (man kann sich lezten Endes immer auf Gottes Wille berufen).

2. Die Setzung von Gott kann das Ingroup-Outgroup-Denken fördern. Es entstehen Barrieren zwischen Menschen (Gläubige gegen Ungläubige, Wissende gegen Unwissende, Erlöste gegen Verurteilte).

3. Die Setzung von Gott kann das natürliche Empathieempfinden herabsetzen, da der Andere eventuell nicht mehr als Mensch mit gleichen Rechten und Empfindungen betrachtet wird (so findet man eine Entmenschlichung von Menschen im Übrigen nicht nur bei IS und Dergleichen, sondern war dies auch zentraler Bestandteil der faschistischen Ideologie in Europa).

4. Die Setzung von Gott kann dazu führen, dass man sich über weltliche Rechte hinwegsetzt, da göttliches Recht über weltlichem Recht steht (Gott als höchster Maßstab).

5. Die Setzung von Gott erschwert die Möglichkeit der Veränderung von Religionen und religiös geprägten Gesellschaften. Man denke etwa an die lange erzwungene Aufklärung des Christentums oder an die Beschwerlichkeit der Einführungsprobleme des Buchdrucks in der arabischen Welt.

6. Die Setzung von Gott kann zu inhumanen Urteilen führen, fernab rationaler und ethischer Maßstäbe (Todesstrafe für Homosexuelle oder Islamkritiker etwa).

7. Die Setzung von Gott kann hinderlich sein, bei der Entfaltung von Wissenschaft, Kunst und Philosophie (da diese immer die Gefahr der Entzauberung von Religionen mit sich bringen).

8. Die Setzung von Gott kann radikalisieren, da je nach Glaube und Lesart Gott unterschiedliches vom Menschen verlangt. Durch die Unantastbarkeit Gottes (und dessen Wort), werden somit auch schreckliche Dinge legitimiert.

9. Die Setzung von Gott kann zu einer Moralisierung führen und einer Nichtberücksichtigung ethischer Prinzipien.

10. Die Setzung von Gott kann die politische Entwicklung behindern, insbesondere wenn Gottes Wort auch als juristische und politische Botschaft verstanden wird. Eine demokratische Aushandlung von Richtlinien (im Sinne des Gesellschaftsvertrages) ist dann nicht möglich.


Es ließen sich noch mehr Punkte aufführen, aber ich will es erst einmal dabei belassen.
Es wird nicht behauptet, dass die Setzung von Gott immer zu diesen Punkten führt. Allerdings hat das Setzen von Gott immer auch das Potenzial, sich in solche Richtungen zu entwickeln.
Zitieren
(09-12-2017, 03:30)Gundi schrieb:
(09-12-2017, 01:12)Mustafa schrieb: Erfüllt das denn nicht schon die Forderung, dass Koran und Mohammed im Kontext der Zeit verstanden werden müssen?

Sicherlich. Nur müsste man sich dann halt vom Absolutheitsanspruch bzw. der Heiligsetzung (Koran = Gottes Wort) verabschieden.

Die Schlussfolgerung ist nicht logisch. Gott hat durchaus zu verschiedenen Zeiten eben verschiedene Regeln erlassen, die genau für diese Zeit gedacht und an diese Zeit angepasst waren. Die kontextuale Betrachtung von heiligen Texten führt nicht zwangsläufig zu ihrer Säkularisierung.

Ich kann mich noch gut an den Islamunterricht in einer der hiesigen Moscheen erinnern. Da wurde als positives Merkmal des Islam hervorgehoben, dass man nicht erst eine kritisch-historische Exegese bräuchte, um den zeitlichen und politischen Kontext der Verse zu verstehen, da die historischen Anlässe der verschiedenen Offenbarungen im Qur'an der muslimischen Welt bekannt sind.

Es ist eben naiv anzunehmen, Gott wäre daran gebunden, nur ewige Wahrheiten zu erlassen. Er ist ja in allen Religionen auch als Prüfer und Erzieher bekannt. Insofern steht Gott überhaupt nichts im Wege, konkrete Gebote zu erlassen, die in einer bestimmten Situation, zu einem speziellen Anlass, in einer bestimmten Kultur und Zeit gültig sind.
Zitieren
@Bion: Vielen Dank noch mal fuer die Zitate. Die Experten sehen das also durchaus zwiespaeltig. Es scheint wohl so zu sein, dass die Uebersetzung "Unglaeubiger" allein deshalb schon nicht abgelehnt werden kann, weil das Lehnwort schon bei der Uebernahme ins Arabische diese Bedeutung hatte. Dass da im Einzelfall andere Bedeutungen wie "Undankbarer" mitschwingen koennen, aendert an diesem Punkt erst einmal nichts.
Zitieren
(09-12-2017, 13:43)Ulan schrieb: @Bion: Vielen Dank noch mal fuer die Zitate. Die Experten sehen das also durchaus zwiespaeltig. Es scheint wohl so zu sein, dass die Uebersetzung "Unglaeubiger" allein deshalb schon nicht abgelehnt werden kann, weil das Lehnwort schon bei der Uebernahme ins Arabische diese Bedeutung hatte.

Es ist ja auch nicht pauschal abzulehnen. Man muss eben nur fragen, was unter Ungläubiger zu verstehen ist. Für uns ist das ja heute oft eher eine theoretische/philosophische Frage.
In den alten Religionen - Islam wie auch im Judentum - war die Frage, ob jemand gläubig ist, immer dadurch definiert, ob er sich an die Gebote hält. Bei jemanden, der mordet und lügt, nahm man an, er würde nicht an einen allwissenden Gott glauben, sonst würde er sich nicht so verhalten. Ob "ungläubig" oder "gläubig" war eher die Frage, wie man sich gegenüber der Gemeinschaft verhält (ich empfehle aus der 2. Reihe der Forschungen zum Alten Testament das Buch "Götterbilder, Gottesbilder, Weltbilder", wo darauf eingegangen wird).
Eine abstrakte Gottesleugnung und ein ethisches gutes Handeln war in dieser Zeit eher nicht zusammen gedacht, was heute ja problemlos möglich ist.
Beim Islam war das nicht groß anders: die gegen die Gemeinschaft der Muslime waren, sie angriffen, beraubten etc waren eben die "Ungläubigen". Das ist eine historische Verknüpfung.
Heute würden wir aber Ungläubiger niemals so verstehen. Für uns ist die Idee, dass jemand, der nicht an einen Gott glaubt, sich zwangsläufig gegenüber seinen Mitmenschen unethisch oder unsozial verhält, nicht naheliegend. Für uns ist das eine philosophische oder erkenntnistheoretische Frage.
Im Sinne der alten Religionen gibt es daher kaum wirkliche Ungläubige. Außerdem ist im o.g. ja ungläubig eher als jemand beschrieben, der sich explizit gegen die Gemeinschaft wendet (a-sozial).
Wenn man sich allerdings anschaut, wieviele muslimische Staaten in den letzten 100 Jahren den angeblich "ungläubigen" Westen angegriffen haben und wie oft westliche Staaten in die muslimischen Länder eingedrungen sind, stellt sich schon die Frage, wer hier einen "Heiligen Krieg" führt. Das ist wohl auch die Argumentation der Staaten, die den Islam politisch ausdeuten: indem sie einfach feststellen, dass die islamische Gemeinschaft angegriffen wird (Gründe sind ja verschieden: Zwangdemokratisierung, Kulturimperialismus, Bodenschätze/Öl). Dann kommen wir also zu einer ganz anderen Ebene, nämlich wieso greift die Übertragung von Verteidigungssituationen im Quran auf die heutige Zeit - und da sind wir schon nicht mehr beim Islam, sondern eher bei der Weltpolitik.
Zitieren
(09-12-2017, 12:48)eod schrieb: Gott hat durchaus zu verschiedenen Zeiten eben verschiedene Regeln erlassen, die genau für diese Zeit gedacht und an diese Zeit angepasst waren.

Ok, das kann natürlich sein. Nur gibt es dann ja erst recht keinen Grund für Muslime am Koran festzuhalten, wenn dieser lediglich Regelwerk für eine Gesellschaft von vor 1400 Jahren war.

(09-12-2017, 12:48)eod schrieb: Es ist eben naiv anzunehmen, Gott wäre daran gebunden, nur ewige Wahrheiten zu erlassen.

Ok. Ich bin in der Tat davon ausgegangen, dass der Koran im Islam als direktes Wort Gottes verstanden wird (anders als etwa die Bibel im Christentum) und dass die offenbarten Wahrheiten für alle Zeiten gültig sein sollen, weil es das letzte mal war, dass sich Gott den Menschen offenbarte.

Gut zu wissen, das die Muslime in ihrem "heiligen Buch" lediglich eine historische Regelsammlung für eine völlig andere Zeit sehen, ohne Verpflichtung für die heutige Zeit. Und die Hadithe werden dann sicherlich auch lediglich als überlieferte Geschichten über Mohammed angesehen, ebenfalls ohne jede Verpfichtung.
Damit hat natürlich niemand ein Problem. Auch wenn ich mich dann schon frage, wozu es Koran und Hadithe in der heutigen Zeit überhaupt noch bedarf, fern ab des geschichtlichen Interesses.


(09-12-2017, 12:48)eod schrieb: Insofern steht Gott überhaupt nichts im Wege, konkrete Gebote zu erlassen, die in einer bestimmten Situation, zu einem speziellen Anlass, in einer bestimmten Kultur und Zeit gültig sind.

Ok, verstehe. Und hat sich Gott auch in der Neuzeit offenbart, um konkrete Gebote zu erlassen oder wie handhaben wir das heutzutage? Seine letzte Offenbarung ist ja nun schon eine Weile her und du sagst, die Regeln galten nur für die damalige Zeit. Welchen gelten denn dann heute für die Muslime?
Zitieren
Ich hatte uebrigens in meine Antwort reineditiert, dass ich die anderen Bedeutungen durchaus auch wahrgenommen habe.

(09-12-2017, 14:04)eod schrieb: Heute würden wir aber Ungläubiger niemals so verstehen. Für uns ist die Idee, dass jemand, der nicht an einen Gott glaubt, sich zwangsläufig gegenüber seinen Mitmenschen unethisch oder unsozial verhält, nicht naheliegend. Für uns ist das eine philosophische oder erkenntnistheoretische Frage.

Ich finde dies eine interessante Aussage. Einerseits denke ich mal, dass das fuer Mustafa, Gundi, Dich und mich genau so zutrifft. Nur, in den paar Jahren, in denen ich hier auf dem Forum mitgelesen und -geschrieben habe, ist mir die Vorstellung, dass jemand, der nicht an Gott glaubt, automatisch asozial ist, oft genug ueber den Weg gelaufen, hauptsaechlich uebrigens von christlichen Forumsmitgliedern, aber auch von einigen muslimischen. Ganz weg ist der Gedanke also nicht, und da kommt das Threadthema wieder zum Tragen...

(09-12-2017, 14:04)eod schrieb: Wenn man sich allerdings anschaut, wieviele muslimische Staaten in den letzten 100 Jahren den angeblich "ungläubigen" Westen angegriffen haben und wie oft westliche Staaten in die muslimischen Länder eingedrungen sind, stellt sich schon die Frage, wer hier einen "Heiligen Krieg" führt. Das ist wohl auch die Argumentation der Staaten, die den Islam politisch ausdeuten: indem sie einfach feststellen, dass die islamische Gemeinschaft angegriffen wird (Gründe sind ja verschieden: Zwangdemokratisierung, Kulturimperialismus, Bodenschätze/Öl). Dann kommen wir also zu einer ganz anderen Ebene, nämlich wieso greift die Übertragung von Verteidigungssituationen im Quran auf die heutige Zeit - und da sind wir schon nicht mehr beim Islam, sondern eher bei der Weltpolitik.

Dem stimme ich zu. Ich werde im Prinzip nicht muede, darauf hinzuweisen, dass "der Westen" hier keineswegs nur unschuldiges Opfer ist. Selbst Deutschland war in Afghanistan stark involviert und ist auch daran beteiligt, in Syrien die Ziele von Bombenangriffen auszuwaehlen. Die Leute tendieren dazu, zu vergessen, dass wir irgendwie "im Krieg" sind, obwohl das nicht so heisst. Bei Europaeern habe ich da uebrigens eher Erfolg, dies anzusprechen, als bei Amerikanern, die eine solche "Idee" oft pauschal ablehnen, obwohl gerade sie da ueber viele Jahrzehnte eine Hauptrolle gespielt haben.
Zitieren
(09-12-2017, 14:17)Gundi schrieb: Ok, das kann natürlich sein. Nur gibt es dann ja erst recht keinen Grund für Muslime am Koran festzuhalten, wenn dieser lediglich Regelwerk für eine Gesellschaft von vor 1400 Jahren war.

Wenn der Koran als Vorlage für verschiedene Lebenssituation gilt, dann muss man sich eben fragen, welche Lebenssituation gerade vorliegt. Muslime sehen den Propheten ja als Vorbild. Nur hatte kein Muslim, den ich bisher traf, jemals Zweifel daran, dass Koranverse, die sich mit dem Aufbau eines Staates beschäftigen, eben auch nur für Staatsführer interessant sind, oder eben Verse, die sich mit Verhalten im Krieg befassen, eben auch nur für Soldaten relevant sind; für den normalen Muslim hingegen, der weder eine führende Rolle in einem Staat hat, noch bevollmächtigt ist, Waffen zu tragen (weil er kein Soldat ist), natürlich die Regeln der Lebensführung und der Frömmigkeit dienen.

Der Koran beantwortet Deine Frage ja nicht in dem Sinne, wie ich sie beantwortet hatte, weil es mir nur darum ging, Deine Äußerung, dass eine kulturell bezogene Perspektive immer zur Säkularisierung führt, zu entkräften. Für Muslime ist der Koran ja das letzte Wort Gottes. Das ist der Punkt, wo ich ja anderer Meinung als die Muslime bin, weil ich eben denke, dass der Koran für damals galt, aber nicht mehr für heute.

(09-12-2017, 12:48)eod schrieb: Ok. Ich bin in der Tat davon ausgegangen, dass der Koran im Islam als direktes Wort Gottes verstanden wird (anders als etwa die Bibel im Christentum) und dass die offenbarten Wahrheiten für alle Zeiten gültig sein sollen, weil es das letzte mal war, dass sich Gott den Menschen offenbarte.

Ja, im Bezug auf den Islam ist das auch so. Deswegen würde ich auch sagen: das Problem ist nicht, ein Heiliges Buch zu haben, sondern zu glauben, dass nach einem niemand mehr kommt und die eigene Religion das letzte ist. Eigentlich hatten alle Religionen das kommen eines neuen Propheten angekündigt, auch der Koran, aber meistens kamen politische Interessen mit in die ganzen Geschichte mit rein.

Für mich ist es hinlänglich absurd zu glauben, Gott wäre irgendwann sprachlos geworden und irgendeine Offenbarung wäre die letzte.

Zitat:Damit hat natürlich niemand ein Problem. Auch wenn ich mich dann schon frage, wozu es Koran und Hadithe in der heutigen Zeit überhaupt noch bedarf, fern ab des geschichtlichen Interesses.

Wenn jemand eine Offenbarung hat, versucht er dieser zu folgen, weil sie für ihn autoritativen Charakter hat. Da machen auch die Menschen ohne religiösen Charakter keine Ausnahme. Die Islamkritiker glauben ja im Koran auch etwas erkannt zu haben, was sie nun vehement vertreten.

Zitat:Ok, verstehe. Und hat sich Gott auch in der Neuzeit offenbart, um konkrete Gebote zu erlassen oder wie handhaben wir das heutzutage?


Klar. 1844 gings weiter. Viele Christen erwarteten ja zu diesem Zeitpunkt die Wiederankunft Christi und waren ziemlich frustriert, weil scheinbar nichts passierte. Im Iran gab es allerdings einen Propheten, der 1844 den Anspruch einer Offenbarung erhob und einen neuen Verkünder für die aktuelle Zeit prophezeite. Die iranischen Autoritäten gingen allerdings wie üblich mit ihm und seinen Anhängern um.

Zitat:Seine letzte Offenbarung ist ja nun schon eine Weile her und du sagst, die Regeln galten nur für die damalige Zeit. Welchen gelten denn dann heute für die Muslime?

Siehe erster Abschnitt. Für Muslime gilt der Koran, weil Mohammed für sie der letzte Prophet ist.Es gilt also beim Koran darauf zu schauen, um welche Situationen es geht und inwiefern vergleichbare Situationen vorliegen, um die zu lösen der gläubige Muslim dann den Koran und die Hadithe zu Rate zieht.
Zitieren
(09-12-2017, 14:23)Ulan schrieb: Ich finde dies eine interessante Aussage. Einerseits denke ich mal, dass das fuer Mustafa, Gundi, Dich und mich genau so zutrifft. Nur, in den paar Jahren, in denen ich hier auf dem Forum mitgelesen und -geschrieben habe, ist mir die Vorstellung, dass jemand, der nicht an Gott glaubt, automatisch asozial ist, oft genug ueber den Weg gelaufen, hauptsaechlich uebrigens von christlichen Forumsmitgliedern, aber auch von einigen muslimischen. Ganz weg ist der Gedanke also nicht, und da kommt das Threadthema wieder zum Tragen...

Es gibt 2 Ansätze, mit denen man beim Thema Religion gegen die Wand fahren dürfte:
a) Dass ein heiliges Buch wortwörtlich zu verstehen ist und jede kulturell-zeitliche Kontext auszublenden sei. Wenn man also nicht mehr fragt, was das Buch einem sagen will. Dann kommt man nicht beim Verständnis voran.
b) Die Annahme, dass die Schriften im kulturellen Kontext stehen und damit nicht mehr "göttliches Wort" seien, also was Gundi hier auch schon beschrieben hat. Die Annahme, dass Gottes Wort ewige Inhalte produziert. Meiner Auffassung nach besagt die Betrachtung, dass Gottes Wort ewig ist, dass es niemals verstummt.

Was Du beschreibst, mit bestimmten Extremisten mancher Religionen, dürfte auf a) zutreffen. Da sind wir aber schon beim Problem, weshalb der Koran eigentlich nicht übersetzt werden soll, dass nämlich mehr oder weniger nicht mehr dem gefolgt wird, was im originalen Koran drin steht, sondern was europäische Übersetzer daraus gemacht haben.


Zitat:Dem stimme ich zu. Ich werde im Prinzip nicht muede, darauf hinzuweisen, dass "der Westen" hier keineswegs nur unschuldiges Opfer ist. Selbst Deutschland war in Afghanistan stark involviert und ist auch daran beteiligt, in Syrien die Ziele von Bombenangriffen auszuwaehlen. Die Leute tendieren dazu, zu vergessen, dass wir irgendwie "im Krieg" sind, obwohl das nicht so heisst. Bei Europaeern habe ich da uebrigens eher Erfolg, dies anzusprechen, als bei Amerikanern, die eine solche "Idee" oft pauschal ablehnen, obwohl gerade sie da ueber viele Jahrzehnte eine Hauptrolle gespielt haben.

Da tut sich auch einiges. Der Vorteil der Globalisierung ist, dass wir viel mehr mitbekommen, was wir so anrichten.
Aber wenn man die Prämisse mal aufrecht erhält, erklärt sich auch, warum z.b radikale sunnitische Strömungen wie der IS kein Problem damit haben, die Verteidigungsverse des Koran auf die heutige Zeit zu übertragen.
Andererseits ist das auch völlig normal, denn wieviele deutsche Nachbarschaftskonflikte laufen, weil man der Meinung ist, der Nachbar hätte angefangen...
Zitieren
(09-12-2017, 14:47)eod schrieb: Der Koran beantwortet Deine Frage ja nicht in dem Sinne, wie ich sie beantwortet hatte, weil es mir nur darum ging, Deine Äußerung, dass eine kulturell bezogene Perspektive immer zur Säkularisierung führt, zu entkräften.

Nun gut, wobei wir uns doch dann in einem Puntk einig wären: Kulturell bezogene Perspektive kann zu einer Abkehr von der Religion führen. Ob dies dann im Atheismus endet oder in einer neuen Religion (wie bei dir, welcher den Koran nicht als letzte Offenbarung begreift) ist dann natürlich unterschiedlich.

(09-12-2017, 14:47)eod schrieb: Für Muslime ist der Koran ja das letzte Wort Gottes. Das ist der Punkt, wo ich ja anderer Meinung als die Muslime bin, weil ich eben denke, dass der Koran für damals galt, aber nicht mehr für heute.

Ich finde es gut, dass du deine persönliche Meinung aufführst. Aber Mustafa und du habt ja den Islamkritikern vorgeworfen, Kritik daran zu üben, dass der Koran von den Muslimen als das letzte verbindiche Wort Gottes verstanden wird und welche Probleme sich daraus ergeben können. Dagegen hast auch du argumentiert und offenbarst mir nun, dass dies nur für dich (als nicht Muslim) gilt.

(09-12-2017, 12:48)eod schrieb:
(09-12-2017, 12:48)eod schrieb: Ok. Ich bin in der Tat davon ausgegangen, dass der Koran im Islam als direktes Wort Gottes verstanden wird (anders als etwa die Bibel im Christentum) und dass die offenbarten Wahrheiten für alle Zeiten gültig sein sollen, weil es das letzte mal war, dass sich Gott den Menschen offenbarte.

Ja, im Bezug auf den Islam ist das auch so.

Dann verstehe ich deine Kritik nicht. Verstehe auch nicht, was du dann eigentlich in meiner Argumentation kritisierst. Du tauschst ja nur die eine Religion gegen eine andere (deine) aus.
Zitieren
(09-12-2017, 15:06)Gundi schrieb: Nun gut, wobei wir uns doch dann in einem Puntk einig wären: Kulturell bezogene Perspektive kann zu einer Abkehr von der Religion führen. Ob dies dann im Atheismus endet oder in einer neuen Religion (wie bei dir, welcher den Koran nicht als letzte Offenbarung begreift) ist dann natürlich unterschiedlich.

Ja.
Es ist das gleiche wie mit der hier schon einmal besprochenen Unerkennbarkeit Gottes.
Daraus lässt sich schließen:
a) Gott existiert nicht
b) Gottes Eigenschaft ist, unerkennbar zu sein

Beide Schlussfolgerungen sind im Blick darauf, dass jeder Mensch Wahrheit individuell erkennt und in Relation zur Wahrheit steht, legitim.

Genauso ist das mit dem kulturellen Kontext:
Anzunehmen, dass Religionen kulturelle Komponenten beinhalten, die nur zu einer bestimmte Zeit galten, kann bedeuten:
a) Es gibt keinen ewiges Wort Gottes.
b) Das ewige Wort Gottes verändert kulturabhängig seine Form.

Zitat:Ich finde es gut, dass du deine persönliche Meinung aufführst. Aber Mustafa und du habt ja den Islamkritikern vorgeworfen, Kritik daran zu üben, dass der Koran von den Muslimen als das letzte verbindiche Wort Gottes verstanden wird und welche Probleme sich daraus ergeben könne.

Meine Kritik an Abdel-Samad hatte ich bereits dargelegt, Mustafa hatte sie auch noch einmal kurz aufgegriffen. Es geht nicht um Islamkritik.
Bei Abdel-Samad stört mich, dass er sich immer in Talkshows als Kontraposition zu den liberalen Muslimen einladen lässt und extrem engagiert darin ist, die liberalen Muslime als inkompetent und ahnungslos hinzustellen. Sie hätten den Islam nicht verstanden und der richtige Islam würde vornehmlich von Salafisten und Co gelebt. Wenn man sich dann anschaut, wo de Mann sein Wissen her hat und dann merkt, dass er selbst mal Salafist war und dort seine Koranexegese her hat, darf man schon einmal kritisch anmerken, dass er diese gelernte Lesart noch immer als die einzig gültige zulässt und damit offensichtlich seine Vergangenheit nicht aufgearbeitet hat.Alle Muslime, die erklärt haben, dass Islam für sie Barmherzigkeit ist, hat er jedesmal zutiefst als inkompetent gebrandmarkt. Mögliche Konsequenz: Junge Muslime, die auf der Suche nach der richtigen Lesart sind, haben Dank Abdel-Samad vermittelt bekommen, dass die liberale Lesart nicht die richtige ist. AfD & Co haben ihn bestimmt nicht eingeladen, weil er so ein differenziertes Bild vom Islam zeichnet. Damit tut er das Gegenteil von dem, was er vorgibt. Viele Jahre war das seine Agenda im öffentlichen Auftreten – möglicherweise hat er das überdacht und ist aktuell weniger scharf. Das kann ich nicht beurteilen.
Zitieren
(09-12-2017, 14:47)eod schrieb: Für mich ist es hinlänglich absurd zu glauben, Gott wäre irgendwann sprachlos geworden und irgendeine Offenbarung wäre die letzte.
Für mich ist es hinlänglich absurd zu glauben, Gott wäre irgendwann auf die Idee gekommen, den Menschen Offenbarungen zu schicken.
Alle sogenannten Offenbarungen sind fehlerhaft, noch dazu steht darin nichts neues, alles wusste man schon vorher.
In der Bibel wie auch im Koran steht, dass die Erde vor den Sternen erschaffen wurde. Das reicht eigentlich schon.
(09-12-2017, 15:02)eod schrieb: Ansätze, mit denen man beim Thema Religion gegen die Wand fahren dürfte:
a) Dass ein heiliges Buch wortwörtlich zu verstehen ist und jede kulturell-zeitliche Kontext auszublenden sei. Wenn man also nicht mehr fragt, was das Buch einem sagen will. Dann kommt man nicht beim Verständnis voran.
b) Die Annahme, dass die Schriften im kulturellen Kontext stehen und damit nicht mehr "göttliches Wort" seien, also was Gundi hier auch schon beschrieben hat. Die Annahme, dass Gottes Wort  ewige Inhalte produziert. Meiner Auffassung nach besagt die Betrachtung, dass Gottes Wort ewig ist, dass es niemals verstummt.
Dein Punkt a) ist nur eine von religiösen sehr beliebte Aussage zur Fehlerverschleierung, "dies und das ist ja ganz anders gemeint", also hat Gott bei seinem Diktat etwas absichtlich falsches gesagt damit wir später die Worte ganz anders verstehen sollen wie sie da geschrieben sind. Toller Gott, tolle Offenbarung an tolle Menschen.
Zu b) Noch fehlt auch der kleinste Beweis, dass Gott jemals zu Menschen gesprochen hat, oder durch einen Engel...
Viele Grüße
Rudi
Zitieren
(09-12-2017, 15:23)eod schrieb: Bei Abdel-Samad stört mich, dass er sich immer in Talkshows als Kontraposition zu den liberalen Muslimen einladen lässt

Ok, kann man so sehen.

(09-12-2017, 15:23)eod schrieb: und extrem engagiert darin ist, die liberalen Muslime als inkompetent und ahnungslos hinzustellen. Sie hätten den Islam nicht verstanden und der richtige Islam würde vornehmlich von Salafisten und Co gelebt.

Derlei kann ich nicht nachvollziehen. Imho lässt er sich gar nicht darüber aus, was der richtige Islam sei.

(09-12-2017, 15:23)eod schrieb: Alle Muslime, die erklärt haben, dass Islam für sie Barmherzigkeit ist, hat er jedesmal zutiefst als inkompetent gebrandmarkt.

Wie gesagt, ich kenne keine einzige Äußerung von ihm die in diese Richtung geht. Imho akzeptiert er den liberalen Muslim genauso als Teil des Islams wie den radikalen Muslim. Seine Kritik geht dahin, dass der Islam das Potenzial für Radikalität birgt.

(09-12-2017, 15:23)eod schrieb: Junge Muslime, die auf der Suche nach der richtigen Lesart sind, haben Dank Abdel-Samad vermittelt bekommen, dass die liberale Lesart nicht die richtige ist.

Nein, das kann man wahrlich nicht heraushören. Aber vielleicht kannst du ein Zitat (im Kontext) bringen, dass wir darüber diskutieren.

(09-12-2017, 15:23)eod schrieb: AfD & Co haben ihn bestimmt nicht eingeladen, weil er so ein differenziertes Bild vom Islam zeichnet.

Er hat bei seinen Auftritten bei der Afd diese deutlich kritisiert und auch klar gestellt, dass er sie weder wählt, noch mit deren pauschalisierendem Umgang mit Muslimen konform geht.
Er hat jedoch gesagt, dass man in einer freiheitlichen Gesellschaft in den Dialog treten muss und gerade deshalb auch zu Leuten gehen muss, deren Meinung man nicht teilt. Denn nur dort, trifft man ja Leute, die man überzeugen kann.
Auch betont er stets, das Islam und Muslime als Menschen zweierlei sind. Eine Religion dürfe man scharf kritisieren, Menschen aber nicht pauschal aburteilen.
Ich persönlich finde diese Sichtweise sehr ehrlich und gut.
Zitieren
(09-12-2017, 15:31)Rudi schrieb: Für mich ist es hinlänglich absurd zu glauben, Gott wäre irgendwann auf die Idee gekommen, den Menschen Offenbarungen zu schicken.

Das ist ok. Ich habe da keinen missionarischen Eifer. Es ist auch die logische Konsequenz, wenn sich Dir nichts offenbart hat: dass Du nicht davon ausgehst, dass es eine Offenbarung gibt. Genauso wie ich es nachvollziehbar finde, dass jemand, der Gott nicht erkennen kann, davon ausgeht, dass er nicht existiert. Zwar finde ich beide Schlussfolgerungen nicht die einzig möglichen (zumal ich sie nicht teile), aber ich sehe kein Problem.

Zitat:In der Bibel wie auch im Koran steht, dass die Erde vor den Sternen erschaffen wurde. Das reicht eigentlich schon.

Womit wir bei einer wortwörtlichen Lesart wären, von der ich nicht glaube, dass sie dabei hilft, einen Text zu verstehen. Weder gläubigen Menschen noch ihren Kritikern. Bestenfalls ist das ein Beweis dafür, dass diese Beschreibungen symbolisch gemeint sind.
Zitieren
Die jeweilige Lesart ist in der Tat wichtig zu berücksichtigen.
Meine persönliche Meinung ist, dass die "heiligen Schriften" den Stand der Zeit widerspiegeln in welcher sie entstanden sind. Das gilt zum einen für Naturphänomene (Entstehung der Welt, der Tiere, des Menschen etc.): Man wusste es damals eben nicht besser und hat eine Erklärung für etwas geliefert, dass man sich nicht erklären konnte. Von daher sind etwa die frühen Christen sicherlich durchaus davon ausgegangen, dass Gott die Erde in sieben Tagen erschaffen hat. Dass dies metaphorisch verstanden werden kann ist imho eine eher neuere Lesart, nach dem der Mensch eben mehr Wissen über die Welt erlangte.
Genauso verhält es sich bei Aussagen über die Gesellschaft und das Miteinander sowie über die Rechte von einzelnen Gruppen (Frauen, Andersgläubige etc.): Auch diese werden ursprünglich sicherlich so gemeint gewesen sein, wie sie verfasst wurden (was dem damaligen kulturellen Stand entsprach) und werden erst in der Neuzeit metaphorisch betrachtet um mit der heutigen Zeit kompatibel zu bleiben.
Ich denke jedoch nicht, dass Bibel, Koran und andere schon immer nur metaphorisch verstanden werden wollten.
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Freitagsgebet Muslime Statesman 14 1075 23-10-2023, 22:12
Letzter Beitrag: Ulan
  Muslime & Schweinefleisch Statesman 19 3500 29-08-2023, 16:25
Letzter Beitrag: Geobacter
  Der Begriff "Islam" ist im Deutschen eine Negative Assoziierung Dschannah 2 2499 27-10-2020, 02:28
Letzter Beitrag: Ulan

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste