25-12-2007, 04:05
Hallo Sangus!
Entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Ich hatte schon einiges direkt nach Deinem post getextet, aber ich musste zwischendurch weg, und dananch kriegte ich die Kurve nicht mehr.
Aber weil heute in einem anderen Thread eine ähnliche Thematik aufgetaucht ist,
http://religionsforum.de/showthread.php?tid=1395&pid=28371#pid28371
will ich nun das hier nun beantworten.
In dem oben verlinkten Thread habe ich das vielleicht deutlicher ausgedrückt, was ich meinte: Was jemand mit einem Wort assoziiert, ist seine persönliche Vorstellung davon, und diese existiert für ihn. Und zwar in der Qualität der Vorstellug. Das kann nicht wegdiskutiert werden.
Den Schritt zu dem Thema Intersubjektivität hatte ich in diesem Thread hier ja nicht gemacht. Die Diskussion, auf die Du Dich hier vielleicht beziehst, habe ich ja damals mitgemacht, und gerade ich habe entschieden darauf bestanden, dass Glaubensüberzeugungen kategorial von intersubjektiven Beschreibungen eines holzernen Tisches unterschieden werden.
Als "gesellschatliche Konvention" oder "Absprache" aber würde ich beides nicht bezeichnen. Das Sprachsystem hat keiner mittels Absprache erfunden, sondern sie ist aus Millionen Erfahrungen entstanden, die dann aber festgeklopft wurden, verdinglicht wurden. Dieser ganze Ballast ist schon da, bevor ich meinen ersten Schrei mache, das heißt, bevor ich mein erstes Getöse mache - als "Schrei" wird das nur gedeutet, weil es das Wort schon gibt. Darum "singen" auch die Vögel, obwohl sie gar nicht singen, und darum kann der Kaffee genauso kochen wie meine Mutter kocht.
Die Sprache deckt nicht ab, was ich wirklich meine, darum sagt der Satz "Gott gibt es" oder "Gott gibt es nicht" eigentlich gar nichts. Es ist ein Hingeplapper. Wenn jemand damit meint: "Wenn ich in den Zug einsteige, obwohl mir eben Handtasche mit Portemonnaie und Ausweis und Fahrkarte
geklaut wurde, wird mich kein Schaffner in den nächsten fünf Stunden rausschmeißen, weil ich von Gott geführt werde", dann kann er auch sagen: Es gibt ein lenkendes Schicksal, oder: Mein geschulter Wille wird dafür sorgen, dass mich keiner rausschmeißen wird.
Letztlich sind das gefühlte Überzeugungen, aus denen kein Religionskozept mit Notwendigkeit folgt. Da sind wir ja einer Meinung. Aber diese Überzeugungen sind halt trotzdem nicht als non-existent zu bezeichnen, wenn es nach mir geht.
Andererseits aber gibt es Intersubjetkivität da, wo wir Menschen alle gleich konstruiert sind. Wenn ich eine Tastatur kaufe, ist sie für meine Hände konstruiert - weil wir alle Hände haben. Das ist keine Glaubenssache, dass ich Hände habe, und ich weiß, dass sie morgen auch da sind und nicht irgendwelche Pfoten. Auch morgen wird meine Tastatur nicht besser von meinem Hund als von mir bedient werden können.
Das ist keine Konvention, sondern die Bedingtheit unserer physischen Natur. Dass mein Bleistift immer runterfällt und nie rauf, ist keine Übereinkunft. Übereinkunft ist lediglich, was ich als "runter" und was als "rauf" bezeichne. Aber wenn das mal definiert ist, können wir nicht erwarten, dass der Bleistift morgen mal die andere Richtung fällt. Es sei denn, unsere Erde kreiselt aus ihrer Bahn...
Darin gebe ich Dir also auch Recht.
Damit definierst Du also das als echte Existenz, wo das Mentale keine Rolle spielt. Das kann man tun. Aber ist es das, was Du wolltest? Und wie sieht die Ameise die Sonne? Das Wort "Sonne" ist auf uns Menschen zugeschnitten worden. Den Feuerball sehen nur wir.
Oder dass sie uns heiter macht. Das gilt aber auch nicht für die Ameise.
Wenn wir als Menschen die Sonne nicht mehr sehen, dann ist sie so, wir wir sie uns vorstellen, verschwunden.
Mit dem letzten Atemzug verschwinden sämtliche Konstruktionen, weil sie nur für die Lebenden zum Überleben geschaffen wurden. Nicht nur die religiösen Konstruktionen, sondern auch die Beziehungen zu allem und jedem, was mir auf der Erde begegnet ist. Und mir kann nichts begegnen, zu dem ich keine Beziehung habe.
Trotzdem gibt es intersubjetive Fakten, solange wir lebend auf der Erde sind. Das Merkmal "heiß" ist ein Fakt, darum darf ich nicht auf die Herdplatte packen, wenn sie glüht.
Entschuldige, dass ich erst jetzt antworte. Ich hatte schon einiges direkt nach Deinem post getextet, aber ich musste zwischendurch weg, und dananch kriegte ich die Kurve nicht mehr.
Aber weil heute in einem anderen Thread eine ähnliche Thematik aufgetaucht ist,
http://religionsforum.de/showthread.php?tid=1395&pid=28371#pid28371
will ich nun das hier nun beantworten.
Zitat:Ich glaube, Du hast mich hier missverstanden. Dieses "wischi-waschi" will ich genauso wenig wie Du. Dennoch kann ich ja nun nicht eine Differenzierung vom Tisch wischen, die mir klar vor Augen steht.Sangus schrieb:Hi Karla,An der Frage nach "objektiver Existenz" habe sich nun wohl schon andere Köpfe dieselben zerbrochen als wir hier in diesem Forum.
[quote=Karla]
Der Satz "Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht" hingegen bringt mich ins Grübeln. Was bedeutet denn genau: "etwas gibt es"? Von welcher Perspektive aus soll es denn etwas geben oder nicht geben? [...]
Also "gibt" es dann auch sämtliche "Götter", die Menschen sich vorstellen: sie sind vorhanden. Denn "Vorstellungen" haben wir von allen Dingen. Wir sagen es nur nicht immer dazu. [...]
Das, was als wirkend wahrgenommen wird, "gibt" es. Auch ein Phantomschmerz " existiert, selbst wenn jeder ihn als Nonsens erklären würde.
Und natürlich liegt den allzu selbstbewussten Unterscheidungen zwischen "real" und "nicht real" oft ein eher naives Welt- und Wirklichkeitsverständnis zu Grunde.
Aber andererseits ist mir die "irgendwie-existiert-alles-was-wirkt"-Haltung auch etwas zu wischi-waschi. Es erinnert mich an die Position, die Ekkard hier oft bezieht, wenn sich Diskussionen über die Frage nach intersubjektiver Gültigkeit von naturwissenschaftlichen Theorien und Hypothesen einerseits und Glaubensüberzeugungen andererseits entwickeln:
In dem oben verlinkten Thread habe ich das vielleicht deutlicher ausgedrückt, was ich meinte: Was jemand mit einem Wort assoziiert, ist seine persönliche Vorstellung davon, und diese existiert für ihn. Und zwar in der Qualität der Vorstellug. Das kann nicht wegdiskutiert werden.
Den Schritt zu dem Thema Intersubjektivität hatte ich in diesem Thread hier ja nicht gemacht. Die Diskussion, auf die Du Dich hier vielleicht beziehst, habe ich ja damals mitgemacht, und gerade ich habe entschieden darauf bestanden, dass Glaubensüberzeugungen kategorial von intersubjektiven Beschreibungen eines holzernen Tisches unterschieden werden.
Zitat:Letztlich sei doch alles "gesellschaftliche Konvention", auch naturwissenschaftliche Modelle wären schlussendlich mentale Konstruktionen und würden sich in ihrem ontologischen Wirklichkeits-Status damit nicht grundsätzlich von Gottesvorstellungen und religiösen Weltdeutungen unterscheiden.Diese Ansicht aber teile ich nicht. Dennoch bedeutet der Ausdruck "etwas gibt es", oder "Gott gibt es" sprachkritisch gesehen nur dies, was ich eben schrieb: alles, was ich mir vorstelle, hat eine Existenz, sobald ich die Sprache bemühe. Die Sprache hat für jeden Begriff überlieferte Merkmalsbündelungen, und die haben ein Eigenleben, sind als sprachliche Entitäten vorhanden. Aber nur als solche. Und meine persönliche vorsprachliche "Erfahrung", ist als psychische Entität vorhanden.
Als "gesellschatliche Konvention" oder "Absprache" aber würde ich beides nicht bezeichnen. Das Sprachsystem hat keiner mittels Absprache erfunden, sondern sie ist aus Millionen Erfahrungen entstanden, die dann aber festgeklopft wurden, verdinglicht wurden. Dieser ganze Ballast ist schon da, bevor ich meinen ersten Schrei mache, das heißt, bevor ich mein erstes Getöse mache - als "Schrei" wird das nur gedeutet, weil es das Wort schon gibt. Darum "singen" auch die Vögel, obwohl sie gar nicht singen, und darum kann der Kaffee genauso kochen wie meine Mutter kocht.
Die Sprache deckt nicht ab, was ich wirklich meine, darum sagt der Satz "Gott gibt es" oder "Gott gibt es nicht" eigentlich gar nichts. Es ist ein Hingeplapper. Wenn jemand damit meint: "Wenn ich in den Zug einsteige, obwohl mir eben Handtasche mit Portemonnaie und Ausweis und Fahrkarte
geklaut wurde, wird mich kein Schaffner in den nächsten fünf Stunden rausschmeißen, weil ich von Gott geführt werde", dann kann er auch sagen: Es gibt ein lenkendes Schicksal, oder: Mein geschulter Wille wird dafür sorgen, dass mich keiner rausschmeißen wird.
Letztlich sind das gefühlte Überzeugungen, aus denen kein Religionskozept mit Notwendigkeit folgt. Da sind wir ja einer Meinung. Aber diese Überzeugungen sind halt trotzdem nicht als non-existent zu bezeichnen, wenn es nach mir geht.
Andererseits aber gibt es Intersubjetkivität da, wo wir Menschen alle gleich konstruiert sind. Wenn ich eine Tastatur kaufe, ist sie für meine Hände konstruiert - weil wir alle Hände haben. Das ist keine Glaubenssache, dass ich Hände habe, und ich weiß, dass sie morgen auch da sind und nicht irgendwelche Pfoten. Auch morgen wird meine Tastatur nicht besser von meinem Hund als von mir bedient werden können.
Das ist keine Konvention, sondern die Bedingtheit unserer physischen Natur. Dass mein Bleistift immer runterfällt und nie rauf, ist keine Übereinkunft. Übereinkunft ist lediglich, was ich als "runter" und was als "rauf" bezeichne. Aber wenn das mal definiert ist, können wir nicht erwarten, dass der Bleistift morgen mal die andere Richtung fällt. Es sei denn, unsere Erde kreiselt aus ihrer Bahn...
Darin gebe ich Dir also auch Recht.
Zitat:Obgleich ich nun natürlich auch nicht die letzte Antwort auf die Frage nach "Sein" oder "Nicht-Sein" geben kann, habe ich für mich ein recht taugliches Maß für die Differenzierung zwischen "realer Existenz" und "mentalem Konstrukt" gefunden: Für mich macht sich der Unterschied fest an der Antwort auf die Frage, ob das "Etwas", das in meiner Vorstellung repräsentiert wird, wohl auch noch existieren wird, wenn die letzte Vorstellung davon ausgestorben ist.Das ist allerdings jetzt wirklich heikel. Unser menschlicher Körper "übersetzt" ja die Außenreize. Wenn keiner mehr da ist, der diese übersetzt, ist da eventuell ein amorpher Klumpen, über den gar keine Aussage gemacht werden kann. Es sind ja wir die Sortiermaschine, wir mit unseren physischen und mentalen Bedinungen. Der hohe Pfiff, den ein Hund hören kann, ist dann weg, wenn es keinen Hund mehr gibt, der ihn hört. Niemand kann die Hörbarkeit mehr nachweisen.
Zitat:In diesem Zusammenhang sind für mich alle kulturellen Artefakte keine real existierenden Dinge, sondern mentale Konstrukte. Eine Sinfonie beispielsweise hört in meinem Weltbild in dem Augenblock auf zu "sein", in dem niemand mehr da ist, der sie hören und damit sozusagen "konstruieren" kann.Ah - ja. Das ist ja das, was ich oben auch sagte. Aber das Gleiche gilt für den Tisch. Wenn niemand mehr weiß, wie man einen ganz bestimmten Tisch baut, dann hört auch er auf, in Deinem Sinne zu sein. Alles Gemachte hört dann auf zu sein. Und wenn kein Mensch da ist, der den Tisch sieht, dann ist auch er ein bedeutungsloser amorpher Haufen - falls es nur noch Insekten gibt. Das Objekt gestaltet sich nach Maßgabe des Subjekts - daran ist kein Vorbeigehen.
Selbst ein in alle Ewigkeit mit Beethovens 9ter vor sich hin dudelnder CD-Spieler erzeugt in der realen Welt lediglich ein "Geräusch", bedeutungslosen Schall, der erst dadurch zur "Sinfonie" wird, indem er gehört und in einem menschlichen Gehirn zu eben dieser konstruiert wird.
Zitat:Die Sonne z.B. wird wohl auch noch existieren, wenn das mentale Konzept "Sonne" lange ausgestorben ist, und sie hat wohl auch bereits existiert, bevor das entsprechende Pendant in unserer Vorstellungswelt erstmalig auftauchte.Dann reduzierst Du die "echten Dinge" auf das, was vom Menschen nicht gemacht und nicht verändert wurde. Also auf die reine Natur. Jegliche Architektur, jegliche erbaute Stadt ist wie die Sinfonie nicht wiederbelebbar, wenn das Artefakt und der Plan verschwunden ist.
Damit definierst Du also das als echte Existenz, wo das Mentale keine Rolle spielt. Das kann man tun. Aber ist es das, was Du wolltest? Und wie sieht die Ameise die Sonne? Das Wort "Sonne" ist auf uns Menschen zugeschnitten worden. Den Feuerball sehen nur wir.
Zitat:Für mich handelt es sich dabei vielmehr um die sprachliche Verdinglichung von Kräften, Empfindungen, Sehnsüchten und Emotionen, die wir als wesentlich für unser Leben sehen und von denen wir uns abhängig und getrieben empfinden.Das sehe ich genauso auch. Aber wir verdinglichen sprachlich ALLES. Auch die Sonne. Wenn wir präzise untersuchen, welche Vorstellung wir davon haben, dann werden die Assoziationen so vielfältig sein wie bei einer Gottesvorstellung. Nur wenige Merkmale der Sonne - und zwar die, die für uns überlebensnotwendig sind - sehen wir alle gleich: dass sie Krebs erzeugt, wenn wir zu lange uns ihren Strahlen aussetzen zum Beispiel. Das ist ein intersubjektives Merkmal der Sonne - weil wir alle ähnliche Körper haben. Und dieses Merkmal gilt nicht für die Ameise.
Oder dass sie uns heiter macht. Das gilt aber auch nicht für die Ameise.
Wenn wir als Menschen die Sonne nicht mehr sehen, dann ist sie so, wir wir sie uns vorstellen, verschwunden.
Zitat:Religion ist für mich demnach auch nicht etwas, das als Offenbarung "metaphysischer Wirklichkeit" sozusagen "von außen" über den Menschen kommt. Religion ist für mich etwas, das durch und durch aus dem Innersten des Menschen herausdrängt. Sie ist also in dem Sinne "real", als dass sie offenbar untrennbar und unvermeidbar mit der Existenz von Menschen einhergeht.Nichts anderes habe ich gemeint.
Zitat:Aber in demselben Augenblick, in dem der letzte Mensch seinen letzten Atemzug getan haben wird, wird auch jede Religion, jeder Gott, jeder Engel und jeder Heilige aufgehört haben, zu existieren ...Die Vorstellung davon wird aufhören zu existieren. Und es sterben auch zu Lebzeiten jede Menge Vorstellungen. Die menschliche Sprache, die etwas als "heilig" bezeichnet, hat damit nicht behauptet, dass es etwas Heiliges gibt. Die menschliche Sprache, die etwas als "Sonne" bezeichnet, hat damit nicht behauptet, dass es etwas wie Sonne gibt. Sie hat nur behauptet, dass gewisse Merkmale, auf die der Mensch reagiert, mit einem bestimmten Wort versehen wurden. Und wer das einmal wirklich begriffen hat, der sieht die Beeinflussung und Dogmatisierung durch die Sprache in allem und jedem.
Mit dem letzten Atemzug verschwinden sämtliche Konstruktionen, weil sie nur für die Lebenden zum Überleben geschaffen wurden. Nicht nur die religiösen Konstruktionen, sondern auch die Beziehungen zu allem und jedem, was mir auf der Erde begegnet ist. Und mir kann nichts begegnen, zu dem ich keine Beziehung habe.
Trotzdem gibt es intersubjetive Fakten, solange wir lebend auf der Erde sind. Das Merkmal "heiß" ist ein Fakt, darum darf ich nicht auf die Herdplatte packen, wenn sie glüht.