18-11-2011, 22:31
Ich will euch mal berichten, wie ich in religiöser Hinsicht das geworden bin, was ich jetzt bin.
Ich wurde römisch-katholisch getauft, bin aber in keiner religiösen Familie aufgewachsen. Mein Vater war Atheist, meine Mutter "Taufscheinkatholikin". Sie brauchte die Kirche für Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse, sonst für nichts. In der Schule besuchte ich den Religionsunterricht, das war damals (50er, 60er Jahre) gar nicht anders möglich. Die Religionslehrer gaben sich keine besondere Mühe, uns Verständnis für das Wort Gottes nahe zu bringen. Statt dessen ließen sie uns "Gottesdienstkalender" führen. Wir hatten Anfang der Woche zu vermerken, in welcher Kirche und um wieviel Uhr wir die Sonntagsmesse besucht haben. Da ich diese nie besucht habe, habe ich das Blaue vom Himmel herunter geschwindelt. Ich war einmal in dieser, einmal in jener Kirche, ab und zu auch in einem Dom, da "hatten wir eine Reise gemacht". Manchmal "war ich wegen Krankheit entschuldigt."
Dann kam die Zeit der Erstkommunion. Vorher musste natürlich gebeichtet werden. Wir hatten unsere "Sünden" auf einen Zettel zu schreiben und den bei der Beichte vorzulesen. Nur - was für Sünden begeht schon ein Volksschulkind? Auch hier habe ich gelogen, dass sich die Balken bogen. Wir gingen an einem trüben, düsteren Tag zur Beichte. In der Kirche war es zappenduster, die paar Kerzen machten die Dunkelheit nur noch undurchdringlicher. Eine Wand entlang schlurfte eine gebeugte, dunkle Gestalt in Richtung einiger schwarzer Kästen, der Beichtpriester, offenbar schon gehobenen Alters. Als ich endlich dran kam, sah ich nichts, konnte kaum den Zettel lesen. Da kam auch schon die barsche Aufforderung durch das Gitter vor meinem Gesicht: "Lies schon vor, was auf dem Zettel steht!" Das tat ich auch, bekam meine Absolution und sollte als Busse 5 Vaterunser beten. Dazu muss gesagt werden, dass ich in der Schule eine Koryphäe im Gedichtaufsagen war. Ich sagte Schillers "Glocke" mit richtiger Betonung in einem Schwung her. Die 5 Vaterunser hätte ich im Halbkoma runter gebetet. Die Diskrepanz zwischen dem, was eine Busse sein sollte und diesem Scherz erschütterte mich zutiefst.
Dann kam der Tag der Kommunion. Wir Kinder gingen in Reih und Glied, im Festgewand und mit der Kerze in der Hand auf die Kirche zu. Die Eltern standen Spalier. Ich sah meine Mutter in der Reihe der Erwachsenen und winkte ihr zu. Prompt zischte mich eine der Aufsicht führenden Personen an: "Nicht winken!" Ich erschrak und war entsetzt. Anstatt in kontemplativer Versenkung daran zu denken, dass ich demnächst den Leib des Herrn zu mir nehmen sollte, hatte ich mich erdreistet, die Frau zu grüßen, die mich 9 Monate unter dem Herzen getragen und danach unter Schmerzen geboren hatte.
Die Katholische Kirche war ab diesem Zeitpunkt für mich gestorben. Eine Zeitlang befand ich mich in einem religiösen Vakuum. Ich war allerdings schon sehr früh an allen Naturwissenschaften interessiert. Auch die romantische Vorstellung einer "Mutter Natur" faszinierte mich. Also begann ich mir eine Art pantheistisches Konzept zusammen zu basteln. Ich stellte mir vor, dass das Göttliche allen Dingen, der ganzen so genannten Schöpfung immanent sei. Diesen in jedem Sandkorn, in jedem Regentropfen in Splittern enthaltenen All-Geist nannte ich "Mutter Natur". Natürlich konnte dieses naive Konzept nicht von Dauer sein.
Mein Interesse für Naturwissenschaften setzte sich fort, wenngleich ich niemals eine diesbezügliche Ausbildung, geschweige denn ein Studium genossen habe. Ich las von Einsteins Relativitätstheorien, Plancks Quanten, Heisenbergs Unschärferelation, dem Teilchen/Welle-Dualismus und dergleichen mehr. Ich kam letztlich zur Erkenntnis, dass es dem Menschen versagt ist, das wirkliche Wesen der Dinge und ihren Ursprung, sofern es diesen überhaupt gibt, zu erkennen.
So wurde ich hum Agnostiker und bin es bis heute geblieben.
LG plofre
Ich wurde römisch-katholisch getauft, bin aber in keiner religiösen Familie aufgewachsen. Mein Vater war Atheist, meine Mutter "Taufscheinkatholikin". Sie brauchte die Kirche für Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse, sonst für nichts. In der Schule besuchte ich den Religionsunterricht, das war damals (50er, 60er Jahre) gar nicht anders möglich. Die Religionslehrer gaben sich keine besondere Mühe, uns Verständnis für das Wort Gottes nahe zu bringen. Statt dessen ließen sie uns "Gottesdienstkalender" führen. Wir hatten Anfang der Woche zu vermerken, in welcher Kirche und um wieviel Uhr wir die Sonntagsmesse besucht haben. Da ich diese nie besucht habe, habe ich das Blaue vom Himmel herunter geschwindelt. Ich war einmal in dieser, einmal in jener Kirche, ab und zu auch in einem Dom, da "hatten wir eine Reise gemacht". Manchmal "war ich wegen Krankheit entschuldigt."
Dann kam die Zeit der Erstkommunion. Vorher musste natürlich gebeichtet werden. Wir hatten unsere "Sünden" auf einen Zettel zu schreiben und den bei der Beichte vorzulesen. Nur - was für Sünden begeht schon ein Volksschulkind? Auch hier habe ich gelogen, dass sich die Balken bogen. Wir gingen an einem trüben, düsteren Tag zur Beichte. In der Kirche war es zappenduster, die paar Kerzen machten die Dunkelheit nur noch undurchdringlicher. Eine Wand entlang schlurfte eine gebeugte, dunkle Gestalt in Richtung einiger schwarzer Kästen, der Beichtpriester, offenbar schon gehobenen Alters. Als ich endlich dran kam, sah ich nichts, konnte kaum den Zettel lesen. Da kam auch schon die barsche Aufforderung durch das Gitter vor meinem Gesicht: "Lies schon vor, was auf dem Zettel steht!" Das tat ich auch, bekam meine Absolution und sollte als Busse 5 Vaterunser beten. Dazu muss gesagt werden, dass ich in der Schule eine Koryphäe im Gedichtaufsagen war. Ich sagte Schillers "Glocke" mit richtiger Betonung in einem Schwung her. Die 5 Vaterunser hätte ich im Halbkoma runter gebetet. Die Diskrepanz zwischen dem, was eine Busse sein sollte und diesem Scherz erschütterte mich zutiefst.
Dann kam der Tag der Kommunion. Wir Kinder gingen in Reih und Glied, im Festgewand und mit der Kerze in der Hand auf die Kirche zu. Die Eltern standen Spalier. Ich sah meine Mutter in der Reihe der Erwachsenen und winkte ihr zu. Prompt zischte mich eine der Aufsicht führenden Personen an: "Nicht winken!" Ich erschrak und war entsetzt. Anstatt in kontemplativer Versenkung daran zu denken, dass ich demnächst den Leib des Herrn zu mir nehmen sollte, hatte ich mich erdreistet, die Frau zu grüßen, die mich 9 Monate unter dem Herzen getragen und danach unter Schmerzen geboren hatte.
Die Katholische Kirche war ab diesem Zeitpunkt für mich gestorben. Eine Zeitlang befand ich mich in einem religiösen Vakuum. Ich war allerdings schon sehr früh an allen Naturwissenschaften interessiert. Auch die romantische Vorstellung einer "Mutter Natur" faszinierte mich. Also begann ich mir eine Art pantheistisches Konzept zusammen zu basteln. Ich stellte mir vor, dass das Göttliche allen Dingen, der ganzen so genannten Schöpfung immanent sei. Diesen in jedem Sandkorn, in jedem Regentropfen in Splittern enthaltenen All-Geist nannte ich "Mutter Natur". Natürlich konnte dieses naive Konzept nicht von Dauer sein.
Mein Interesse für Naturwissenschaften setzte sich fort, wenngleich ich niemals eine diesbezügliche Ausbildung, geschweige denn ein Studium genossen habe. Ich las von Einsteins Relativitätstheorien, Plancks Quanten, Heisenbergs Unschärferelation, dem Teilchen/Welle-Dualismus und dergleichen mehr. Ich kam letztlich zur Erkenntnis, dass es dem Menschen versagt ist, das wirkliche Wesen der Dinge und ihren Ursprung, sofern es diesen überhaupt gibt, zu erkennen.
So wurde ich hum Agnostiker und bin es bis heute geblieben.
LG plofre
Al la astroj!
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