Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Der Selbstwiderspruch und mein Computer
#1
Smile 
Einmal kam Herbert, ein Freund von mir, und fragte mich zu einem angeblichen Selbstwiderspruch in der Bibel. Er hatte auch gleich ein Exemplar einer Bibel mitgebracht und bevor ich auch nur einen Mucks machen konnte, legte er auch schon los:

"Gott gebot", sagte Herbert, "vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen, denn sobald du davon isst, wirst du sterben" (Gen 2,17). Aber: "Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen" (1 Tim 2.4). Die Erkenntnis von Gut und Böse wird mit der Todesstrafe belegt, und die Übertretung des Gebots wurde dann auch fürchterlich bestraft. Paulus behauptet genau das Gegenteil! Daran sieht man, dass die Bibel vorn und hinten nicht stimmt!"

"Mh", antwortete ich langsam und schaute auf meinen Computer, "Wie siehst Du die folgende Erklärung: Vor dem Sündenfall wollte Gott den damals noch nicht dem Tod verfallenen Menschen vor "der tödlichen Wahrheit" bewahren, aber jetzt, wo es nun einmal passiert ist, und dem Menschen nun die Augen mehr oder weniger offen stehen - jetzt möchte Gott, dass möglichst alle Menschen die Wahrheit auch erkennen."

Herbert lächelte. "Deine Erklärung klingt prima facie sehr einleuchtend. Ich habe jedoch erhebliche Einwände: Wenn jemand ein Verbot aufstellt, muss er demjenigen auch die Fähigkeit geben, zwischen Gut (Einhalten des Verbots) und Böse (Übertretung des Verbots) unterscheiden zu können, also wohl Gut und Böse erkennen zu können!"

"Hier benutzt Du bereits das Wissen über Gut und Böse", wandte ich ein. "Sonst könntest Du nicht zuordnen Gut = Gebot einhalten, Böse = Verbot übertreten. Warum "muss" Gott, wie Du sagst, dem Menschen diesen Apfel, äh, diese Fähigkeit geben? Muss Gott das? Andererseits: Wenn Gott diese Fähigkeit dem Menschen einfach so gegeben hätte, dann hätte der Mensch sich als Geschöpf dagegen ja nicht wehren können. Warum ist es "besser" die Wahrheit zu wissen, als unwissend und dafür "glaubend" zu sein? Woher diese Deine zugrundeliegende Einschätzung?"

"Er sollte fairerweise, gerechterweise. Es ist gemein, jemand eine Aufgabe zu geben, ihm aber die nötigen Fähigkeiten dazu zu verwehren. Warum stellte Gott einen solch gefährlichen Baum hin? Zwecks Versuchung?"

"Vielleicht ist es so ähnlich wie in der Evolutionstheorie: 1 Gen bewirkt gleichzeitig verschiedene untrennbare Erscheinungen. zum Beispiel schwarze Haut UND gekräuseltes Haar, bzw. eine bestimmte Eigenschaft läßt sich nicht 1:1 zu einem einzigen Gen zurückverfolgen? Indem Du den Baum "gefährlich" nennst, benutzt Du ja auch wieder Dein vorhandenes Wissen über Gut und Böse. Adam und Eva wußten das vorher ja selbst nicht, dass der Baum so gefährlich sei, Gott hatte es ihnen zwar gesagt, aber es ist ja ein meilenweiter Unterschied zwischen Glauben und Wissen, nicht wahr?"

"Es geht auch nicht direkt um Wissen.", antwortete Herbert, "Doch um frei entscheiden zu können, das Gebot einzuhalten oder zu übertreten müssten Adam und Eva zwischen Gebot einhalten (=gut) oder übertreten (=schlecht und böse) unterscheiden können. Dazu brauchten sie ja bereits das Wissen von Gut und Böse! Ich kann von einem Farbenblinden doch nicht verlangen: Du sortiere mal die
Trauben in grüne und blaue!"

"Mh", sagte ich und überlegte, "Die Menschen, welche die Genesis schrieben, waren wahrscheinlich über die Frage gestolpert, WOHER eigentlich dieses Wissen über Gut und Böse kommt, wo es doch aus der wert(ungs)neutralen Natur heraus, deren Teil wir ja auch nur (speziell mit unseren Gehirnen) sind, nicht kommen kann... Seltsamerweise weiß jedes Kind "irgendwie", was Gut und Böse ist, und hat ein schlechtes Gewissen, wenn es nicht die Wahrheit sagt."

"Ich finde das nicht seltsam, da vieles über Gene vermittelt wird, vieles auch in frühester Kindheit anerzogen ist. Wie auch immer, das Einhalten des Gebotes verlangte Gott von Adam und Eva, gab ihnen aber nicht die Fähigkeit dazu."

"Doch, denn Gott schuf ja den Apfel", meinte ich. "Wenn sie sein Gebot einhalten, dann ist ja alles gut, dann brauchen sie den Apfel ja gar nicht. Wenn sie das Gebot nicht einhalten, dann lernen sie es, und zwar hautnah, was böse ist, sterben dann, und sehen nach dem Tod Gott im Paradies wieder, und werden den Apfel bestimmt nicht nochmal essen, und alles ist prima."

"Aber ist das eine freie Entscheidung? Denn um frei entscheiden zu können, das Gebot einzuhalten oder zu übertreten, brauchen Adam und Eva bereits das Wissen zwischen Gebot einhalten (=gut) oder übertreten (=schlecht und böse)."

Ich probierte es mit einem Beispiel.

"Ich habe einen Vater, wir haben uns lange nicht mehr gesehen, und vorher nie so richtig verstanden. Du kennst doch sicher diese Psychologie-Seminare, wo man sich rückwärts fallen lassen muss, und der andere soll einen dann auffangen. Nehmen wir an, ich will WISSEN, ob mein Vater lieb ist. Das kann ich nur um den Preis herausfinden, indem ich "den Tod sterbe" und mich ihm voll ausgeliefert nach hinten kippen lasse, ohne ihn zu sehen." Ich zuckte mit den Schultern, "Vielleicht als anschauliches Beispiel, wieso das Wissen um die Wahrheit und Gut und Böse so "tödlich" ist ?"

"Da verstehe ich nicht: Weisst Du, dass hinter Dir Dein Vater steht?" fragte Herbert.

"Na, sehen kann ich es jedenfalls nicht." antwortete ich, "Er könnte ja inzwischen auch weggegangen sein. Vor kurzem habe ich übrigens einen Bibelausleger gelesen, der meinte Folgendes: Gott gibt uns Menschen in diesem Leben und auf dieser Welt die Möglichkeit, unsere durch den Apfel erworbene Souveränität im Wissen über Gut und Böse ohne ihn zu leben (ohne Gott - sonst wär es ja keine Souveränität). Und Gott sah vorher, dass es dann mit uns Geschöpfen ohne ihn 100%ig schief gehen würde. Nicht nur ala Klimawandel der Erde, sondern mit jedem Einzelnen, ob nun durch Alkohol, Drogen, Ehe kaputt, Bankrott, Gesundheit ruiniert, oder was auch immer. Deshalb setzte Gott diesem irdischen Leben den Tod als Limit, damit es nicht zur ewigen Hölle ausarten kann, wie es der Fall wäre, wenn wir Menschen nicht nur wissend sondern auch noch unsterblich wären."

"Aber das erklärt nicht den eigentlichen Selbstwiderspruch." beharrte Herbert. "Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Sie können sein Gebot nicht einhalten, weil sie noch nicht die Fähigkeit haben zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und zu wählen."

Ich sah auf meinen Computerbildschirm und musste plötzlich lächeln.

"Hat ein Computer die Fähigkeit, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, und zu wählen, ob er Deinen Befehl ausführt oder nicht?" fragte ich. "Bislang jedenfalls hat er nicht diese Fähigkeit. Aber trotzdem macht der Computer ja (meistens), was er soll, und führt alle Anweisungen aus, und zwar ohne die Möglichkeit einer eigenen Entscheidung zu haben. Vielleicht wollte Gott aber eigentlich keinen computermäßig perfekt funktionierenden Menschen, sondern einen Menschen, der die Fähigkeit hat, den eigenen Verstand und die eigene Vernunft einzusetzen."

"Und so schuf Gott besagten Apfelbaum." setzte ich fort, "Das wäre für unseren Computer das "Bill-Gates-Modul", und wir warnen den Computer: Sobald Du das Modul aktivierst, wirst Du den Unterschied zwischen Gut und Böse kapieren, aber dafür logischerweise nicht mehr wie früher "sklavisch" meinen Anweisungen folgen und Dich deswegen todsicher irgendwann aufhängen. Macht aber nix, denn dann hast Du Computer hoffentlich gelernt, wie das Bill-Gates-Modul funktioniert, und ich habe die aktuellste Sicherungskopie von kurz vor dem fatalen error hier, die spiele ich Dir dann nach dem reboot auf, und alles ist prima.

Das "Bill-Gates-Modul" wäre eigentlich eine schöne Idee für so ein Weltpatent. Da kommt dann so ein Computer raus wie beim Raumschiff Enterprise, Next Generation, mit dem man reden kann, wie mit einem Menschen, und der sogar mitdenkt, und lernfähig ist, und einem irgendwelche lästigen Aufgaben, wie z.B. die Steuererklärung dann per Selbstlernprozess abnimmt, so dass man die zuerst nur noch nachkontrollieren muss und später irgendwann das dann nicht mal mehr anzukucken braucht, weil der Computer das speziell dann viel besser und schneller erledigt, das wär doch was. Der Computer, mein Freund.

Oder, dass der Computer per Selbstlernprozess meine Vorlieben/Geschmack in der Musikrichtung lernt, und mich dann morgens beim Einschalten mit dem neuesten und gerade erst rausgekommenen Song meiner favorite band überrascht, obwohl er selbst eigentlich eher Popmusik mag, mein Computer. Aber weil er weiß, dass ich mich da freue, und Popmusik nicht so mag, macht er mir die Freude, und wenn ich dann mal eh nicht am Rechner sitze, weil der gerade meine Steuererklärung macht, dann hört der Computer eben nebenbei seine Popmusik, dann störts mich ja nicht. Mein Computer heißt übrigens "Adam-und-Eva" (Dual Core). Dual Core hat den Vorteil, dass die beiden sich gegenseitig kontrollieren können, so daß bei einem drohenden fatal error des einen, der andere versuchen kann, es noch abzufangen.

Das Tolle ist: Ich brauche dem praktisch keine 10 Gebote mehr fest einzuverdrahten, und auch keinen Assembler mehr zu programmieren, weil er mit dem Bill-Gates-Modul selbstlernfähig ist, und das eben alles selbst rauskriegt, was Gut und Böse ist. Und weil er sich dann selbst programmieren und Sicherungskopien anlegen kann, ist er ziemlich selbständig und hat auch selbst ein gewisses Gefühl von Sicherheit und Lebensfreue entwickelt.

Inzwischen kann ich ja darauf vertrauen, dass da nichts mehr schief geht, weil ich gesehen habe, dass es ein GUTER Computer ist, und falls doch irgend etwas schief gehen sollte, dann haben wir ja immer noch einen Stapel Sicherungskopien und den reboot-Knopf, mein lieber Computer und ich.

Einmal kam ein Freund von mir, Herbert, und fragte mich zu einem angeblichenSelbstwiderspruch in der Bibel. Es ging darum, dass Gott vor dem Sündenfall die Erkenntnis der Wahrheit von Gut und Böse verboten habe, aber später in der Bibel erkläre, er wolle, dass alle Menschen die Wahrheit erkennen. Ich sah sofort die Schwierigkeit, aber mein Computer wies mich darauf hin, daß die erste Bibelstelle noch vor dem Sündenfall, die zweite Bibelstelle aber danach gelegen war.

So löste mein Computer seinen ersten Selbstwiderspruch. Den zweiten Selbstwiderspruch, dass Adam und Eva für die Einhaltung Gottes Gebotes über den Baum der Erkenntnis bereits das Wissen der Erkenntnis brauchen würden, löste er mit Hilfe des Beispiels eines einfachen Computers, der seine Befehle und Anweisungen auch ohne das Wissen von Gut und Böse abarbeitet.
Zitieren
#2
Applaus, applaus, applaus.... leider aber spricht der Computer-Schöpfer Linux... Bill-Gates-Module sind einwandfrei die Schjöpfungen des Computer-Teufels....:) :) :)
Zitieren


Möglicherweise verwandte Themen…
Thema Verfasser Antworten Ansichten Letzter Beitrag
  Lösungsvorschläge für mein Problem Holmes 19 11778 27-08-2017, 16:47
Letzter Beitrag: Adamea
  Mein "religiöser Werdegang" plofre 15 17365 25-10-2014, 23:59
Letzter Beitrag: Ekkard
  Wie finde ich Lektoren für mein Buch? ags 5 9170 06-09-2011, 17:36
Letzter Beitrag: Phaeton

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste