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Die Botschaft des historischen Jesus im Unterschied zur Verkündigung der Kirche
#31
Scheint niemanden zu interessieren: Es geht um eine religionsunabhängie Ethik, die anders als durch göttliches Gebot in den angestammten Religionen konsensfähig zu machen ist.
Vergessen?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#32
(19-11-2008, 22:32)Ekkard schrieb: Scheint niemanden zu interessieren: Es geht um eine religionsunabhängie Ethik, die anders als durch göttliches Gebot in den angestammten Religionen konsensfähig zu machen ist.
Vergessen?
Ich fürchte, das wird ein Phantom. Eine gesellschafts- und weltanschauungsunabhängige Ethik ist mir unvorstellbar, kanns imho nicht geben - unabhängig von der Art der offiziellen Autorisierung.
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#33
Na, vielleicht gibt es aber doch eine Art Minimalkonsens. Dieser könnte sich daran orientieren, was wir uns für uns und unsere Umgebung wünschen. Nur mal ein paar Fragen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Wir wollen nicht einfach so umgebracht werden
Wie ist es mit einem Mindestbesitz
mit gesundheitlichen Diensten
mit einem Recht auf körperliche Unversehrtheit
mit einem Diskriminierungsverbot
(Das scheint ja etwas gewesen zu sein, was Rabbi Joschua (Jesus) tatsächlich gepredigt hat).
Hanns Lutze hat einen ganzen Katalog von Menschenrechten hergeleitet, und ihn mit einer Argumentation von Prof. Ridl begründet.
Nun ja, Begründungen in ethischen Fragen haben es in sich! Ich stehe da eher auf dem Standpunkt: Man kann Prinzipien nicht "begründen", weil sie selbst Grundlage unseres (geistigen) Lebens, unserer Handlungsvorbereitungen sind. Es ist eher ein evolvierender Prozess oder auch die Wirkungsgeschichte also eine Art Versuch und Bewährung?
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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#34
(19-11-2008, 17:30)indymaya schrieb: Als Jesus sein Leiden ankündigt meint Petrus Gott würde helfen, er hatte es eben noch nicht verstanden und bei der Gefangennahme waren die Anhänger Jesu geschockt und da ist auch ein Leugnen menschlich.


Jesus wusch seinen Jüngern die Füße um unter ihnen der "Kleinste" zu sein. Und Jesus ist unser aller König geworden.

Liebe indymaya, Dein erster Satz ist reine Spekulation.
Ich spekuliere anders, ich denke mir, dass wohl ein jeder Apostel Jesu´s sich gerne an seiner Stelle fangen und umbringen
gelassen haben würde. Wohlgemerkt dass ich sowieso nicht an einen Mord an Jesus glaube.
Du kennst sicher die Stelle in der Bibel in der steht: "Und alle verließen sie ihn..."
Wer war dann noch da um das zu sehen und niederzuschreiben?
Alles wie gesagt, reine Spekulation.
--------
Es mag für uns etwas fremd sein, aber im Orient sieht man diese Fußwaschung etwas anders,
das hat etwas mit Gastfreundschaft und Brüderlichkeit zu tun und ist nicht ein Zeichen des "Geringsten".
Solche Eindrücke kann man nur bei Leuten aus unserem Kulturkreis hinterlassen wo das Füßewaschen
eher eine Seltenheit ist und wo es sich keiner traut dem Anderen zu nahe zu kommen.
Und so wird eine "Normalität" zur heiligen Handlung erklärt.

Wie überhaupt das Bestreben der "Geringste" zu sein ein recht sinnloses ist, wir sind gering,
das muss man nur einsehen können. Ich mag solche Leute überhaupt nicht die "Geringsein" heraushängen lassen
und in Wirklichkeit im Mittelpunkt stehen wollen, es gibt genug davon.
Darüber muss man eigentlich nicht reden, es genügt zu wissen dass wir nicht wichtig und groß sind.
Das hindert aber nicht um Wissen zu erlangen, im Gegenteil, das hilft dabei.

Gruß,
Wojciech
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#35
post 1

Ich habe die Arbeit von Hanns Lütze, die im ersten Beitrag dieses Threads als Datei angehängt ist, jetzt einmal durchgelesen, manche Passagen zweimal.

Der Grund dafür ist, dass ich beim ersten Überfliegen auf Aussagen und Satzgruppen gestoßen bin, die mir sehr ins Auge stachen und die ich darum genauer ergründen wollte.

So hatte mir schon der Titel der Arbeit ins Auge gestochen:
„Der wahre und Gesunde Mensch“.


Die Arbeit hat drei Teile, die sich in etwa auch mit den drei großen Kapiteln der Arbeit decken.

Der erste Teil versucht, aus dem Neuen Testament die Aussagen des historischen Jesus herauszufiltern und die Ethik dieses historischen Jesus als mittragend für eine neue Weltethik nachzuweisen.

Der zweite Teil entwickelt eine Ethik auf der Basis der biologischen Evolutionstheorie. Lutze sieht die Naturwissenschaft als wertneutral an, darum würden sich daraus für alle Menschen dieser Erde gültige und „richige“ ethische Normen entwickeln lassen.

Im dritten Teil führt er die Ergebnisse der ersten beiden Teile zusammen und erweitert die Paragraphen der Menschenrechte – als Vorschlag – um das, was er in Teil eins und zwei herausgearbeitet hat.


Den dritten Teil lasse ich in meinem Kommentar hier ganz weg.

Der erste Teil ist für mich der interessanteste. Lutze benutzt ein bestimmtes Kriterium, um im Neuen Testament die Aussagen des historischen Jesus von den Aussagen, die die junge Gemeinde ihn nur in den Mund gelegt hat, zu trennen.

Seine Ergebnisse sind für manche vielleicht verblüffend radikal, für viele befreiend, und weil wir ähnliche Themen hier im Forum kürzlich schon des öfteren hatten, werde ich dies in post 2 auszugsweise vorstellen.

Wie weit Hanns Lutze sich von anderen Theologen hat anregen lassen, vermag ich nicht zu entscheiden; leider gibt es auch keinerlei Angaben von Sekundärliteratur (bis auf zwei).

Allerdings hat er in diese seine – für mich sehr sinnvolle – Anlayse des historischen Jesus etwas aus eigener Sicht hinzugefügt, ohne es ausdrücklich zu ssagen. Er hat es reingemogelt. Und da wird sofort der Ideologiekritiker in mir wach. Das Hineingemogelte werde ich darum ebenfalls in einem der nächsten posts herauspräparieren.


Wer googlen mag, wird zweimal auf einen Hanns Lütze stoßen, Jahrgang 1926, (ehemaliger?) Schulpfarrer und evangelischer Religionslehrer in Leverkusen.


Der zweite Teil, den ich dann ebenfalls in Auszügen vorstellen will, ist für mich sehr ärgerlich, häufig ist er sogar grenzwertig. Brisant ist es darum, weil Litze die angewandte Naturwissenschaft und damit auch die angewanndte Evolutionstheorie für wertneutral erklärt und darum aus der erschlossenen Stammesgeschichte unserer Vorfahren die moderne Ethik – als verpflichtend für jedes Glied der Menschheit – bestimmt.


post 2 – mit der Analyse des historischen Jesus – folgt bald.
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#36
post 2

Hier nun ein paar von mir referierte Ausschnitte aus dem Abschnitt über den historischen Jesus:

Da die Erzählungen um Jesus herum erst einige bis viele Jahrzehnte nach seinem Tod notiert wurden, ist es schwer zu trennen, was vermutlich von Jesus selber stammt und was ihm die junge Gemeinde in den Mund gelegt hat.
Das Kriterium, das Hanns Lütze benutzt, um die Ansicht des historischen Jesus herauszufiltern, ist folgendes:

Diejenigen Aussagen, die
a. nicht in das Glaubensverständnis der Urgemeinde und erst recht nicht in das der späteren Kirche einzuordnen sind und
b. nicht vom jüdischen Glaubensverständnis abgeleitet werden können

werden als wirklich historisch gewertet, weil sie quasi aus Versehen mitgeliefert wurden. Lutze geht – in meinen Augen zurecht – davon aus, dass die junge Gemeinde mit Sicherheit die Lehre Jesu an ihre realen Bedürfnisse – und die waren: Verteidigung der Lehre vor anderen Lehren – angepasst haben. Das aber, was dazu nicht passte – dem Denken der jungen Gemeinde eher widersprach – ist darum vermutlich historisch. Manchmal sei erkennbar, wie eine Zusatzbemerkung das ursprüngliche Jesus-Wort abschwächen wollte.

Beispiel für a:

In Lukas 24,13ff werden die frühesten Anhänger Jesu sichtbar: sie sind verzweifelt, weil Jesus tot ist und damit ihre Hoffnung auf den Messias, der Israel erlösen soll, erlöschen ist. Diese ersten Anhänger unterscheiden sich in ihrem Messias-Glauben nicht von dem der Juden.

Dies aber unterscheidet sich krass von der Auffassung, dass Jesus schon zu Lebzeiten seinen Tod und seine Auferstehung angekündigt habe.

Zitat Lutze:
„Es widerspricht auch den berichteten und Jesus in den Mund gelegten Aussagen, die deutlich machen, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist und die Erlösung nicht alleine Israel zukommen wird. All die Aussagen, in denen Jesus der Messias, der Menschensohn, der Sohn Gottes, das Sühneopfer, das Lamm Gottes genannt wird und es von dem Glauben daran sogar abhängig gemacht wird, dass der Mensch gerettet werden kann oder auch nicht, unterstützen das Selbstbewußtsein der christlichen Gemeinde.“

Beispiel für b:

Jesus übernimmt nicht den Rachegott Jahwe, sondern lehrt bedingungslose Liebe.

So ein Zitat: Mk. 16,16: "Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden"
sei eine Konstruktion der Urgemeinde. Damit wurde die eigene Position aufgewertet.
Aber der historische Jesus habe keine Bedingungen des Glaubens gelehrt.

Zitat Lutze:
„Heilen heißt die Devise des historischen Jesus und nicht verurteilen der oft in die Irre geratenen Menschen. Wer den Gott des Jesus und Jesus selbst wieder zum Richter macht, der ist nach dem historischen Jesus weit weg vom Reich Gottes oder dem Friedensreich.“


In post 3 erkläre ich (nach dem Aufwachen), was Hanns Lutze in die Deutung der Jesu-Haltung "reingemogelt" hat und als ideologische Impiikationen herauspräpariert werden muss.
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#37
(21-11-2008, 08:55)Marlene schrieb: Die Botschaft des historischen Jesus und die Verkündigung der Kirchen widersprechen sich eigentlich nicht wesentlich.
????

Wie können wir die "Botschaft" des "historischen Jesus" denn überhaupt kennen bzw. hatte er denn überhaupt eine theologische über seine Zeit hinausgehende?
Christologie hat das historische eigentlich nie im geringsten interessiert. Paulus kannte Jesus nicht und die Evangelisten allesamt ebenso. Bedrückt scheint sie das nicht zu haben. Die Botschaft der Evangelisten später mit der jesuanischen gleichzusetzen, scheint mir kirchliche Legendenbildung, sehr wahrscheinlich ein Missverständnis.
Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Jerci Stanislaw Lec)

Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#38
(21-11-2008, 08:55)Marlene schrieb: Steige mal quer ein. Karla, hoffentlich störe ich den Fluss (oder Anschluß) deiner Erklärungen nicht.


Nö, macht nichts. Die anderen Teile brauchen noch ein bisschen.


Zitat:Die Botschaft des historischen Jesus und die Verkündigung der Kirchen widersprechen sich eigentlich nicht wesentlich.


Dann habe ich offensichtlich sehr schlecht referiert.

Nachtrag:
Und es kommt mir so vor, als ob Du alle die verhöhnen willst, die auf Grund der umformulierten "Botschaft" - immer unter der Voraussetzung, dass Hanns Lutze Recht haben könnte - unendlich gelitten haben, nicht nur physisch, sondern auch seelisch.

Allein das Streichen des Schlachtopfer-Gedankens und der Erlösung durch Blut ist viel wert. Noch viel mehr das Streichen des Rächer-Gottes und der Vergottung Jesu, und des Missionsauftrages.
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#39
post 3

Hanns Lutze will mit seiner Arbeit ethische Grundlagen für eine Weltgemeinschaft vorstellen, die an jeder Schule der Welt gelehrt und die Menschen und deren Gewissen in diesem Sinne schulen und verändern will.

Es lohtn sich, diese Ideen von Lutze zur Kenntnis zu nehmen, denn sie enthalten meines Erachtens Dynamit.
Die beiden Bereiche, aus denen er seine Ideen schöpft, sind die Lehre des historischen Jesus, so wie er sie in seinem ersten Teil herausgearbeitet hat - siehe Beiträge 35 und 36 - und die biologische Evolutionstheorie. Auf letztere werde ich in meinem letzten post 4 zu sprechen kommen, denn da stecken jede Menge Gefahren.

Diese Gefahr ist aber unterschwellig auch schon in der Darstellung des historischen Jesus vorhanden; Lutze "mogelt" nämlich etwas in die Lehre Jesu hinein, was ihm, Lutze, dann später, wenn er diese Lehre für kompatibel mit der biologischen Evolutionstheorie erklärt, zu pass kommt.
Und, schlimmer, er instrumentalisiert diese umformulierte Lehre für seine Weltethik, um die er die Menschenrechte erweitert wissen möchte.

In diesem post will ich zeigen, was Lutze in die Lehre Jesu hineinmogelt, ohne es überhaupt als Zusatzdeutung gekennzeichnet zu haben.
Es hat etwas mit dem Titel seiner Arbeit zu tun, der mich von Anfang an hat die Ohren spitzen lassen: "Der wahre und Gesunde Mensch".

Es ist dieser „wahre und gesunde“ Mensch, den Jesus gelehrt haben soll.
So sehr ich mit der Analyse von Lutze einverstanden bin, in der er versucht, den historischen Jesus freizuschaufeln:
Mit dem wahren und gesunden Menschen begibt Lutze sich auf Glatteis.


Es fängt relativ harmlos an:
Lutze rezitiert Lk.7,19ff, in dem Jesus sage, dass da, wo „Heilung und Zuspruch“ geschieht, das Reich Gottes gegenwärtig sei.

Lutze:
„Er identifiziert damit die Gegenwart Gottes mit der Gegenwart einer
sich heilenden Gesellschaft“.
„Ich würde ihn [den historischen Jesus] damit den Boten des wahren Menschen nennen“

Im Folgenden unterscheidet Lutze immer häufiger „gesund“ von „krank“ oder „krankhaft“. Auch wenn er damit die Verurteilung des Menschen als Ganzem ersetzen will und meint, einen liebevollen Fortschritt gemacht zu haben, wenn man Verbrecher als krank bezeichnet, die geheilt werden müssen:

Es läuft darauf hinaus, dass alle die als krank bezeichnet werden, die der Gesellschaft oder der Gemeinschaft schaden wollen.
Das ethische Hauptziel sei, das menschliche Leben und damit die menschliche Gemeinschaft. „möglichst lange und möglichst optimal zu erhalten“.

Im Wege stehen da die destruktiven Triebe, die in der Jesus-Zeit als Dömonen bezeichnet wurden und ausgetrieben werden mussten.
„Das ist, wenn es negative Impulse sind, eine schädliche Krankheit.“

Über diese destruktiven, negativen und schädlichen Triebe sagt Lutze, dass auch der heutige Mensch sie alleine nicht in den Griff bekomme: der Mensch werde nach der „modernen Biologie“ von den Trieben beherrscht, er habe keinerlei freien Willen, könne sich also nicht selber von diesen Trieben – die die Gemeinschaft zerstören wollen - befreien. Dazu bedarf es dann der Mitmenschen, die ihn davon „befreien“.

Um hier schon mal etwas zwischenzuschalten:
Was an Lutze völlig als Möglichkeit vorbei geht: dass das sogenannte Destruktive im Menschen selber das erste Symptom für eine Heilung sein kann. Ein angepasster Mensch, wenn er zum ersten Mal begreift, dass er sich wehren kann, wird vielleicht zum ersten Mal Aggression in sich spüren, und das ist ein positiver Wert, ein Weg hin zur inneren Befreiung.
Auch sind Revolten gegen festgefahrene Gesellschaften – gerade weil sie gegen die bestehende Ordnung gehen – nicht schädlich, nicht negativ, nicht destruktiv aufs Ganze gesehen, sondern sind Teil der Entwicklung.

Das Beschreiben einer Revolte als schädlichen Trieb, von dem der Mensch geheilt werden muss, ist eine furchtbare Lehre.
Und vor allem wird es zu einer furchtbaren Lehre, wenn sie mit den Ergebnissen der Hirnforschung kombiniert wird.

Hanns Lutze führt auch das Gegensatzpaar „falsche“ und „richtige“ Verhaltensformen ein. Falsch ist, was der Gemeinschaft schadet, richtig ist, was der Gemeinschaft nützt.
Dem Einzelmenschen könne es nur gut gehen, wenn es auch der Gemeinschaft gut geht.
Und dafür wurde der historische Jesus instrumentalisiert. Dies soll er gelehrt haben mittels seiner Dämonenaustreibung.

Die menschliche Gemeinschaft soll – natürlich in Liebe – einen Weg finden, um die Mitmenschen von diesen „destruktiven Trieben“ zu befreien. Auf den Punkt gebracht: es ist die „Ich-Krankheit“, die vernichtet werden müsse.

Was man so alles unter "Ich-Krankheit" verstehen kann, wenn die Weltgemeinschaft selber das Recht haben soll, das zu definieren und die Menschen in diesem Sinne "umzuerziehen", muss ich wohl nicht erklären.

Ich würde hier gar nicht so ausführlich darauf zu sprechen kommen, wenn nicht auch noch andere Menschen, die von der Hirnforschung fasziniert sind und ihr absolute Gültigkeit zusprechen, Welt- und Menschenbilder entwerfen, die einen "richtigen" Menschen im Kopf haben, einen bereinigten Menschen...
Der Schritt von einer "Umerziehung" - die durchaus auch schon mal mit Gehirnwäsche verwechselt werden kann - und einer "kleinen Operation im Gehirn" ist nicht mehr so groß wie der, der überhaupt zu dem Gedanken geführt hat, dass man "das Falsche am Menschen" eindeutig und verpflichtend für die ganze Menschheit definieren und, vor allem, wegerziehen kann.


Irgendwann heute noch kommt mein viertes und letztes post, das die Anwendung der Hirnforschung auf einen Entwurf der Weltethik durch Hanns Lutze noch vertiefend beschreibt.
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#40
post 4

Die ersten drei posts befinden sich in Beitrag 35, 36, 39.


Hanns Lutze fußt seinen Vorschlag für eine neue Weltethik auf zwei Säulen:
auf die – vermutliche – Lehre des historischen Jesus und auf die moderne Biologie.

In diesem Beitrag geht es um den Zusammenhang Weltethik und moderne Biologie.

Die Aussagen Lutzes sind hier nicht sehr scharf gefasst und fast nirgends belegt.


Es gibt drei Aussagen, die für Lutze offenbar unerschütterlich feststehen:

a.
Die Naturwissenschaft ist objektiv und wertfrei, im Gegensatz zu einer Religion oder Ideologie. Darum beschreibe sie den Menschen „wahr“, und man könne daraus eine in der ganzen Welt anzuerkennende Ethik ableiten.

b.
Das, was die Biologie gültig herausgefunden habe, sei, dass der Mensch mit seinem Egotrip die Gemeinschaften zerstöre.
Dieser Egoetrip – also diese destruktiven Triebe - sei aufgrund der stammesgeschichllichen Vorfahren noch vorhanden, sei aber heute überflüssig. Er müsse beseitigt werden, durch Erziehung.

c.
Ebenfalls habe die Biologie herausgefunden, dass der Mensch ein Gemeinschaftswesen sei.
Also sei es immer schädlich, auch für das Indiividuum selber, wenn der Einzelmensch gegen die Gemeinschaft (Familie, Volk etc.) arbeite. Nur Harmonie mit der Gemeinschaft könne den Weltfrieden garantieren.

d.
Stammesgeschichtlich gesehen gehe es dem Menschen nur um die Erhaltung seiner Art. Dies sei stets der Maßstab für Handlungen. Wenn ein gesundes Leben gefährdet sei, müsse etwas, was nicht Mensch ist, oder noch nicht Mensch ist, getötet werden. Lutze spielt das an dem Beispiel eines Embryo durch (ein relativ harmlos gewähltes Beispiel)

Ich weigere mich, darüber nachzudenken, was man mit einem solchen ethischen Gesetz, das allgemeingültig für die Weltgemeinschaft sein soll, nicht alles anstellen kann: mit einem Gesetz, das die Erhaltung des wertvolleren Lebens gegenüber dem weniger wertvollen regelt.

Hier von Wertfreiheit und Neutralität zu sprechen, wirkt auf mich wie Hohn. Die Naturwissenschaft kann nie und nimmer nachgewiesen haben oder nachweisen, dass die PHYSISCHE Arterhaltung für den komplexen modernen Menschen das höchste Ethos sei, das weltweit durchgesetzt werden müsse.


Ich beende das Thema erst einmal, auch wenn es eher ein Abbrechen ist.
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#41
Ich habe die Beiträge, die nichts mehr mit dem Thema zu tun hatten, in den Mülleimer verschoben. Ich bitte zu beachten, dass dort NICHT weiter darüber diskutiert werden soll. Wenn die Zankerei fortgesetzt werden soll, bitte einen eigenen "Zank-Thread" eröffnen, den kann man dann meiden, wenn man so ein Zeug nicht lesen will.

Gruss

Petrus
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#42
Liebe Karla,

ich danke Dir sehr für Deine Mühe, diesen Text kritisch zusammenzufassen und Anregungen zu geben. So ausführlich wie Du kann ich darauf nicht antworten, aber einige Gedanken möchte ich versuchen, beizusteuern:

>Da die Erzählungen um Jesus herum erst einige bis viele Jahrzehnte nach
>seinem Tod notiert wurden, ist es schwer zu trennen, was vermutlich
>von Jesus selber stammt und was ihm die junge Gemeinde in den Mund gelegt hat.

Bei diesem Teil des Essays von Lutze und Deinen Anmerkungen wurde ich an eine Buch-Werbung erinnert, die vor einiger Zeit in meiner Post lag, und die ich nicht weggeworfen habe, weil ich mir dieses Buch kaufen möchte: Es ist von GERD LÜDEMANN und heisst "Der erfundene Jesus. Unechte Jesusworte im Neuen Testament". Die Verlagswerbung verheisst, dass ca. 80 Aussagen (und damit fast alle, die Jesus im NT gemacht hat), nicht authentisch sein sollen. Geht Lutzes und Deine Kritik in eine ähnliche Richtung?

> Lutze geht – in meinen Augen zurecht – davon aus, dass die junge Gemeinde
>mit Sicherheit die Lehre Jesu an ihre realen Bedürfnisse – und die waren:
>Verteidigung der Lehre vor anderen Lehren – angepasst haben. Das aber,
>was dazu nicht passte – dem Denken der jungen Gemeinde eher widersprach –
>ist darum vermutlich historisch. Manchmal sei erkennbar, wie eine
>Zusatzbemerkung das ursprüngliche Jesus-Wort abschwächen wollte.

Kann man Deiner Meinung nach daraus schliessen, dass alles, was "passt", unhistorisch ist, oder ist dieser Umkehrschluss nicht erlaubt. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass Lüdemann so argumentiert (obwohl diese Vermutung nicht ganz seriös ist, sorry, denn ich kenne NUR den Verlagsprospekt, nicht das Buch selbst; aber vielleicht darf ich ja mutmassen?!)

Bezogen auf das von Dir genannte Beispiel Lukas 24,13ff würde das also bedeuten, dass diese Zitatstelle vermutlich historisch ist, weil sie diesen von Dir/Lutze genannten Widerspruch zulässt? Habe ich das richtig verstanden?

>Jesus übernimmt nicht den Rachegott Jahwe, sondern lehrt
>bedingungslose Liebe.

>So ein Zitat: Mk. 16,16: "Wer da glaubt und getauft wird, der wird
>selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden"

>sei eine Konstruktion der Urgemeinde. Damit wurde die eigene
>Position aufgewertet.

>Aber der historische Jesus habe keine Bedingungen des Glaubens gelehrt.

Dieses Beispiel verstehe ich nicht. Es kann doch sein, dass Jesus da durchaus ambivalent war.

"Wer den Gott des Jesus und Jesus selbst wieder zum Richter macht, der ist nach dem historischen Jesus weit weg vom Reich Gottes oder dem Friedensreich.“

Dieses Zitat gefällt mir sehr, weil ich da etwas von dem spüre, was Jesu Lehre sein KÖNNTE...

>Hanns Lutze will mit seiner Arbeit ethische Grundlagen für eine Weltgemeinschaft
>vorstellen, die an jeder Schule der Welt gelehrt und die Menschen und deren
>Gewissen in diesem Sinne schulen und verändern will.

Ein hoher Anspruch.

>Lutze "mogelt" nämlich etwas in die Lehre Jesu hinein, was ihm, Lutze,
>dann später, wenn er diese Lehre für kompatibel mit der biologischen
>Evolutionstheorie erklärt, zu pass kommt.

>Es ist dieser „wahre und gesunde“ Mensch, den Jesus gelehrt haben soll.

Hm... Wenn ich so etwas lese, wird mir immer etwas mulmig, da geht es mir wohl so wie Dir.

>Im Folgenden unterscheidet Lutze immer häufiger „gesund“ von „krank“
>oder „krankhaft“. Auch wenn er damit die Verurteilung des Menschen als
>Ganzem ersetzen will und meint, einen liebevollen Fortschritt gemacht zu
>haben, wenn man Verbrecher als krank bezeichnet, die geheilt werden müssen:

Und da wird mir dann GANZ mulmig.

Denn:

>Es läuft darauf hinaus, dass alle die als krank bezeichnet werden,
>die der Gesellschaft oder der Gemeinschaft schaden wollen.

Zum einen frage ich mich, was "der Gesellschaft schaden" bedeutet, und zum anderen verhöhnt eine Verkrankung der Täter die Opfer.

>Über diese destruktiven, negativen und schädlichen Triebe sagt Lutze,
>dass auch der heutige Mensch sie alleine nicht in den Griff bekomme:
>der Mensch werde nach der „modernen Biologie“ von den Trieben
>beherrscht, er habe keinerlei freien Willen, könne sich also nicht selber
>von diesen Trieben – die die Gemeinschaft zerstören wollen -
>befreien. Dazu bedarf es dann der Mitmenschen, die ihn davon „befreien“.

Das halte ich für äusserst fragwürdig. Es gibt zwar innerhalb der Biologie, besonders der Hirnbiologie Strömungen, die das vehement vertreten, aber dieser Position ist durchaus umstritten und wird keinesfalls von "der" modernen Biologie insgesamt vertreten.

Zumal der Schluss, dass es dafür des Mitmenschen bedarf, seine eigene These widerlegt. Wenn das alles "biologisch" angelegt ist, kann auch der Mitmensch an dieser Determination nichts ändern, sondern man müsste er "erleiden".

>Das Beschreiben einer Revolte als schädlichen Trieb, von dem der Mensch
>geheilt werden muss, ist eine furchtbare Lehre.

JA, so sehe ich das auch.

>Und vor allem wird es zu einer furchtbaren Lehre, wenn sie mit den
>Ergebnissen der Hirnforschung kombiniert wird.

Und es nimmt dem Menschen letztendlich die Verantwortung für sein Tun. Ich habe jahrelang in einer kleinen Beratungsstelle für Männer, die als Kind sexuell missbraucht worden sind, gearbeitet. Nach dieser "Lehre" sind die Täter einfach nur "krank", sie "können ja nichts dafür", und das empfinde ich als Verhöhnung der Opfer durch Verkrankung der Täter.

>Falsch ist, was der Gemeinschaft schadet, richtig ist, was der Gemeinschaft nützt.

Das ist aber fast schon Utilitarismus im Stil eines Peter Singer...

>Der Schritt von einer "Umerziehung" - die durchaus auch schon mal mit
>Gehirnwäsche verwechselt werden kann - und einer "kleinen Operation
>im Gehirn" ist nicht mehr so groß wie der, der überhaupt zu dem Gedanken
>geführt hat, dass man "das Falsche am Menschen" eindeutig und verpflichtend
>für die ganze Menschheit definieren und, vor allem, wegerziehen kann.

Diese Skepsis teile ich mit Dir.

>Die Naturwissenschaft ist objektiv und wertfrei,
>im Gegensatz zu einer Religion oder Ideologie.

Ich denke, da verwechselt er aber Naturwissenschaft und METHODE. Eine METHODE kann wertfrei sein (kann! Muss aber keineswegs), die Naturwissenschaft ist es nie, weil der dahinterstehende Mensch, der sie betreibt, nicht wertfrei sein KANN. Und eben deshalb kann auch die Methode zu einem Wert werden, aber das ist jetzt vielleicht ein bisschen zu spitzfindig Icon_wink

>Das, was die Biologie gültig herausgefunden habe, sei, dass der Mensch
>mit seinem Egotrip die Gemeinschaften zerstöre.

Das mag die Sozialwissenschaft "herausgefunden" haben, wo die Biologie so etwas könnte, sehe ich nicht. Mein bester Freund ist studierter Biologe und eremitierter Professor der Medizin, er ist an philosophischen Fragen ausserordentlich interessiert, und gerade die "Macht der Biologie" ist oft ein Thema in unseren stundenlangen Gesprächen. Aber ich habe von ihm noch nie gehört oder gelesen, dass die Biologie in der Lage ist, sozialwissenschaftliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Natürlich beeinflusst die Biologie, UNSERE Biologie, auch unser soziales Sein. Keine Frage. Aber allein der o.g. Schluss ist ja bereits soziologisch, denn eine solche Frage stellt sich die Biologie gar nicht. Bereits dass Lutze das belegen wollte, ist eine "Wertung", die über die Wertfreiheit der Naturwissenschaften vieles aussagt.

>Ebenfalls habe die Biologie herausgefunden, dass der Mensch ein
>Gemeinschaftswesen sei.

Und wie soll das gehen? Hat er das beschrieben und belegt? (Ich habe seinen Text nicht komplett gelesen, er schien mir zu mühsam, und ich weiss, dass man es eigentlich sollte, bevor man sich hier zu Wort meldet Icon_wink Aber ich verlasse mich da auf Deine Textparaphrasierung, und daher mische ich hier mit...)

>Wenn ein gesundes Leben gefährdet sei, müsse etwas, was nicht Mensch
>ist, oder noch nicht Mensch ist, getötet werden. Lutze spielt das an dem
>Beispiel eines Embryo durch (ein relativ harmlos gewähltes Beispiel)

Puh.......

>Ich weigere mich, darüber nachzudenken, was man mit einem solchen
>ethischen Gesetz, das allgemeingültig für die Weltgemeinschaft sein soll,
>nicht alles anstellen kann: mit einem Gesetz, das die Erhaltung des wertvolleren
>Lebens gegenüber dem weniger wertvollen regelt.

Lassen wir es lieber...

Liebe Karla,

ich danke Dir für Deine Arbeit, und hoffe, dass sich noch einige zu Wort melden. Ich bin kein grosser Denker, meine Gedanken hierzu sind z.Tl. naiv, aber manchmal denke ich, dass ich die Meinenden und Wohlmeinenden dieser Welt gar nicht anders ertragen könnte.

Einen lieben Gruss, und nochmal danke.

Petrus
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#43
Ich möchte noch etwas allgemein zu meinem Kommentar sagen:

Ich habe ihn in ein paar Tagen geschrieben, er ist kein wissenschaftlicher Kommentar; dafür würde ich viel mehr Zeit brauchen. Er soll nur Diskussionsgrundlage sein, ist manchmal zugespitzt formuliert - auch wenn ich mir die größte Mühe innerhalb der kurzen Zeit gegeben habe, so sachgerecht wie möglich die (ideologischen) Implikationen herauszuschälen -, und ich muss darauf setzen, dass meine Kommentare am Originaltext überprüft werden, wenn es darum geht, Hanns Lutze selber in jeder Facette gerecht zu werden.

Geht es aber darum, die Thesen an sich, oder besser, die Problemfelder zu diskutieren - wobei Lutzes Arbeit dann vor allem Ideenlieferant wäre -, dann muss man nicht notgedrungen mit Lutze abgleichen, sondern kann sich davon entfernen.
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#44
(22-11-2008, 12:08)Petrus schrieb:
Karla schrieb:Da die Erzählungen um Jesus herum erst einige bis viele Jahrzehnte nach seinem Tod notiert wurden, ist es schwer zu trennen, was vermutlich von Jesus selber stammt und was ihm die junge Gemeinde in den Mund gelegt hat.

Bei diesem Teil des Essays von Lutze und Deinen Anmerkungen wurde ich an eine Buch-Werbung erinnert [...]: Es ist von GERD LÜDEMANN und heisst "Der erfundene Jesus. Unechte Jesusworte im Neuen Testament". Die Verlagswerbung verheisst, dass ca. 80 Aussagen (und damit fast alle, die Jesus im NT gemacht hat), nicht authentisch sein sollen. Geht Lutzes und Deine Kritik in eine ähnliche Richtung?


Das weiß ich nicht. Lüdemann selber habe ich bisher im Zusammenhang nicht gelesen, und ich weiß nicht, welches Kriterium der Unterscheidung er benutzt. Aber Lüdemann ist ein bekannter (und mutiger, mitunter sehr frecher) Mann, und es lohnt sich sicherlich, ihn zu lesen.

Mich persönlich interessiert die Gruppe der niederländischen "Radikalkritik"; Hermann Detering - amtierender Pfarrer in Berlin, jedenfalls noch, als ich vor ein paar Monaten das überprüft habe - ist da höchst aktiv. Ein frommer Christ hat ihm auf seiner Website in das Gästebuch geschrieben, es sei besser, er würde im tiefsten Wasser ersäuft werden, als dass er noch weiter seine Sachen schreiben und dadurch sein Seelenheil verlieren dürfte.

Diese Website ist übrigens mehr als lohnenswert. Da kann man jede Menge pdf-Dokumente kostenlos herunterladen; die Arbeiten der Niederländer aus den Zwanziger Jahren werden sukzessive ins Deutsche übersetzt und der Allgemeinheit kostenlos zur Verrügung gestellt. Auch Arbeiten von Hermann Detering sind darunter:
http://www.radikalkritik.de/index.htm


Zitat:
Zitat:Lutze geht – in meinen Augen zurecht – davon aus, dass die junge Gemeinde mit Sicherheit die Lehre Jesu an ihre realen Bedürfnisse – und die waren:
Verteidigung der Lehre vor anderen Lehren – angepasst haben. Das aber, was dazu nicht passte – dem Denken der jungen Gemeinde eher widersprach – ist darum vermutlich historisch. Manchmal sei erkennbar, wie eine Zusatzbemerkung das ursprüngliche Jesus-Wort abschwächen wollte.

Kann man Deiner Meinung nach daraus schliessen, dass alles, was "passt", unhistorisch ist, oder ist dieser Umkehrschluss nicht erlaubt.
[...]
Bezogen auf das von Dir genannte Beispiel Lukas 24,13ff würde das also bedeuten, dass diese Zitatstelle vermutlich historisch ist, weil sie diesen von Dir/Lutze genannten Widerspruch zulässt? Habe ich das richtig verstanden?


Ich denke, dass da noch ein Kriterium enthalten ist, das ich bisher nicht ausdrücklich gesagt habe, Lutze aber auch nicht:
Wenn widersprüchliche Aussagen im Neuen Testament vorhanden sind, dann sortiert Lutze diese so wie von mir beschrieben. Die ersten Jünger seien ganz selbstverständlich dem jüdischen Denken verhaftet gewesen, es sei da keine Rede davon gewesen, eine neue Religion zu schaffen. Diese ersten Jünger hielten Jesus für den versprochenen Messias, und zwar so, wie es im jüdischen Glauben aufgefasst wurde.
Als Jesus hingerichtet wurde, war das geplatzt. Die Enttäuschung der Jünger darüber sieht Lutze als authentisch an.

Der spätere Überbau dann - Jesus sei gar nicht richtig gestorben, jedenfalls nicht endgültig, und er sei gar nicht nur für die Juden gekommen, sondern auch für die Heiden, und er sei ein Messias für die ganze Erde und nicht nur für die Juden - ist dann eben als ein solcher zu erkennen. Erst mittels dieses Überbaus wurde Jesus zum Welterlöser, und man konnte die ganze Welt verdammen, die nicht diesen Welterlöser "annahm".

Alle Stellen also, die beinhalten, dass Jesus schon zu Lebzeiten darum wusste, dass er wiederauferstehen wird, seien keine authentischen Jesus-Aussagen.


Zitat:
Zitat:Jesus übernimmt nicht den Rachegott Jahwe, sondern lehrt
bedingungslose Liebe.

So ein Zitat: Mk. 16,16: "Wer da glaubt und getauft wird, der wird
selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden"

sei eine Konstruktion der Urgemeinde. Damit wurde die eigene
Position aufgewertet.

Aber der historische Jesus habe keine Bedingungen des Glaubens gelehrt.

Dieses Beispiel verstehe ich nicht. Es kann doch sein, dass Jesus da durchaus ambivalent war.


Wenn Du von der Ambivalenz - oder Schizophrenie - von Jesus ausgehst, ist natürlich keinerlei Sortierung möglich. Dann hat Jesus heute die allumfassende Liebe als Heilmittel verkündet, morgen mit dem Feuer gedroht, wer ihn, Jesus, nicht annimmt.

Lutze geht davon aus, dass Jesus der Opfertheologie des Alten Testamentes etwas radikal entgegengesetzt hat: die Aufhebung dieses Opferdenkens. Es muss kein Blut mehr fließen, damit Menschen "entsündigt" werden.

Außerdem weist Lutze nach, dass Jesus an manchen Stellen keinerlei glaubensmäßige Beschränkung gemacht hat (es gibt solche Stellen, wo er Andersgläubigen Recht gibt).
Solche Stellen widersprechen anderen Stellen, wo zum Beispiel ein so magisches Mittel wie die Taufe über das Heil oder Unheil entscheidet (siehe oben Markus 16, 16).
Riten als Bedingung hält Lutze für ein typisches Merkmal einer Gemeinde, die sich von anderen Gemeinden oder Lehren abgrenzen will. Da Jesus eine solche nicht gründen wollte, kann die Aussage nicht authentisch sein.



Zitat:
Zitat:Wer den Gott des Jesus und Jesus selbst wieder zum Richter macht, der ist nach dem historischen Jesus weit weg vom Reich Gottes oder dem Friedensreich.

Dieses Zitat gefällt mir sehr, weil ich da etwas von dem spüre, was Jesu Lehre sein KÖNNTE...


Laut Lutze hat die junge Gemeinde diesen Richtergott wieder aktiviert, um sich gegen andere Lehren behaupten zu können. Die Ansicht des historischen Jesus hingegen habe sich dagegen davon distanziert - denn was sonst hätte denn überhaupt bewirken können, dass man ihm hinterlief? Wenn er gar nichts Neues gehabt hätte?


Über die Naturwissenschaft als - wertfreie - Grundlage für eine Ethik dann ein andermal von meiner Seite. Aber ich hoffe ja auch, dass hier noch mehr das Wort ergreifen.
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#45
(22-11-2008, 14:20)Karla schrieb: Über die Naturwissenschaft als - wertfreie - Grundlage für eine Ethik dann ein andermal von meiner Seite. Aber ich hoffe ja auch, dass hier noch mehr das Wort ergreifen.
Die naturwissenschaftliche Methode ist tatsächlich glaubensfrei definiert und enthält nur so um die 5 einfache Regeln:
- die Beschreibung muss örtlich und zeitlich bestimmt sein;
- sie muss in einer Kausalkette stehen;
- sie darf keine Wertung enthalten (also vorurteilsfrei).
Theoriebildung:
- Erklärungen müssen ihre Prinzipien, Annahmen und Voraussetzungen explizit nennen (also keine verdeckten Annahmen, siehe das "Mogeln" von Lutze, aufgespießt von Karla)
- von verschiedenen Erklärungen ist jene maßgebend, die mit den wenigsten Annahmen auskommt (Occam's razor).

Das alles klingt tatsächlich wertneutral. Die Realität sieht anders aus, weil die Wissenschaftler in ihr Umfeld voller dynamisch variierender Vorurteile eingebunden sind. Deswegen wird manches nicht und anderes intensiv erforscht (siehe Energie-Umwandlungsprozesse, Nutzung regenerativer Energie gegenüber Atomenergie). Ergebnisse werden weltanschaulich missbraucht (siehe v. a. Hirnforschung, Evolutionslehre, Genetik).
Selbst der große Sir Isaak Newton hat Vorurteile in seine Physik eingebaut, ohne sich und seine Kollegen auf die Annahmen über Raum und Zeit hinzuweisen. Und wie schlimm der unkritische Missbrauch des Darwinismus insbesondere im Dritten (deutschen) Reich war, brauche ich wohl nicht weiter auszuführen.
Darüber hinaus gibt es massenhaft Literatur über Fälschungen in den Forschungsberichten und Unterdrückung von "unpassenden" Ergebnissen.

Es ist einfach extrem wichtig, daran zu denken, dass wissenschaftliche Methoden nur die momentan wesentlichen Aspekte beschreiben, nicht die Welt in allen Details und für alle Zeiten. Theorien sind grundsätzlich nur die vorläufig besten Beschreibungen – und mehr nicht.

Jede Nutzung geschieht im Werteumfeld der jeweiligen Gesellschaft. Deshalb ist die Mogelei von Hanns Lutze so gefährlich. Die Zurückführung einer Wertsetzung auf ein theoretisches Modell geht einfach nicht, ist grundsätzlich abzulehnen. Wertsetzungen (besser, schlechter, krank, gesund usw.) sind der menschlichen Gesellschaft allein vorbehalten.

Weder die Evolutionslehre noch die Hirnforschung noch die Genetik noch irgend eine andere Theorie entheben die Gesellschaft, um ihre Werte zu ringen. Die wissenschaftlichen Methoden liefern dazu absolut nichts. Dazu sind sie nämlich expressis verbis (s. Katalog oben) nicht da!
Mit freundlichen Grüßen
Ekkard
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